Cum-Ex-Skandal Steuerbetrug landet vor dem Bonner Landgericht

Bonn · Vor dem Bonner Landgericht könnte in diesem Jahr der Prozess gegen zwei Beschuldigte der Cum-Ex-Geschäfte beginnen. Sie gelten schon heute als größter organisierter Steuerbetrug der Geschichte.

Vor dem Bonner Landgericht könnte noch in diesem Jahr die Verhandlung gegen zwei Angeschuldigte beginnen, die die Kölner Staatsanwaltschaft als wichtige Akteure der Cum-Ex-Deals betrachtet. Die als Cum-Ex-Geschäfte bekanntgewordenen Geldanlagemodelle sollen den deutschen Fiskus Verluste in zweistelliger Milliardenhöhe beschert haben.

Am Mittwoch traf eine entsprechende Anklageschrift aus Köln in Bonn ein, wie das Landgericht auf Anfrage bestätigte. Einzelheiten zum Inhalt der Vorwürfe wollte ein Gerichtssprecher nicht machen, weil die Anklageschrift nun erst den Angeschuldigten und ihren Anwälten zugeleitet wird. Mit einer Entscheidung des Gerichts, ob überhaupt ein Verfahren eröffnet werde, sei im Mai zu rechnen, hieß es. Die Verhandlungen könnten sich im Sommer oder Herbst anschließen.

Laut WDR sind zwei ehemalige britische Aktienhändler wegen Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall angeklagt. Dem Bericht zufolge füllt die Anklageschrift mehr als 20.000 Seiten.

Die Spitze des Eisbergs

Was in Bonn jetzt ins Rollen kommen könnte, ist aber nur die Spitze des Eisberges. Die Kölner Ermittler, die eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für solche Steuerdelikte gebildet haben, untersuchen den Cum-Ex-Komplex bereits seit mehreren Jahren. Dass ihr erster Fall nun in Bonn vor dem Landgericht landet, hat damit zu tun, dass hier das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) seinen Hauptsitz hat.

Die dem Bundesfinanzministerium unterstellte Behörde mit ihren bundesweit mehr als 1000 Betriebsprüfern steht den Kollegen der Steuerämter der Länder bei der Prüfung von Konzernen zur Seite, bei denen Unternehmensteile im Ausland liegen und daher auch ausländische Steuerlasten berücksichtigt werden müssen. Zwei Referate des BZSt sind speziell mit der Prüfung von Banken befasst.

In den Investmentabteilungen der Kreditinstitute aber saßen die Aktienhändler, die die für den Steuerzahler so schädlichen Cum-Ex-Geschäfte betrieben. Unterstützt wurden sie von Rechtsanwälten, Wirtschaftsberatern und Lobbyisten, die den Kunden die Deals als völlig legale Steuersparmöglichkeit verkauften. Als „Cum-Ex“ wurden sie bekannt, weil es sich um Aktiengeschäfte mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch handelte, die steuerlich unterschiedlich behandelt werden. Diese wechselten so oft den Besitzer, dass der Fiskus die Übersicht verlor und mehr Kapitalsteuer erstattete, als jemals gezahlt worden war.

Der Mannheimer Finanzwissenschaftler Christoph Spengel hat die zu Unrecht überwiesenen Steuern allein für Deutschland auf über 30 Milliarden Euro geschätzt. In ganz Europa soll der Staat nach seinen Berechnungen um 55 Milliarden Euro geprellt worden sein. Der Bundesgesetzgeber hat den Cum-Ex-Geschäften 2012 einen Riegel vorgeschoben. Das Bundesfinanzministerium beziffert selbst den Einnahmenausfall auf 5,5 Milliarden Euro.

„Was die Bundesregierung bisher versäumt hat, das holt die Justiz jetzt hoffentlich nach“

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anja Hajduk, erklärte am Mittwoch: „Es ist absolut begrüßenswert, dass die Staatsanwaltschaft Köln nun bei der Aufklärung dieses milliardenschweren Steuerraubs die Initiative ergreift. Was die Bundesregierung bisher versäumt hat, das holt die Justiz jetzt hoffentlich nach.“ Hajduks Kritik bezieht sich darauf, dass teilweise sogar bestritten wird, dass es sich um betrügerische Geschäfte handelte. Nach dieser Lesart nutzten die Aktienhändler lediglich legale Steuerschlupflöcher aus.

Noch einen anderen Punkt sprach die Grünen-Politikerin an: den Mangel an Ermittlern. Nach Schätzungen des Bundes der Kriminalbeamten reicht die Personalausstattung in den Behörden wie bei der Kölner Staatsanwaltschaft nämlich bei Weitem nicht aus. Es fehlten Dutzende Spezialisten, um die Cum-Ex-Fälle alle aufarbeiten zu können.

Umso gespannter beobachtet man in Bonn und deutschlandweit, wie es mit dem ersten Fall weitergeht.

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