Krieg in der Ukraine Was man bei der Hilfe für Geflüchtete beachten sollte

Bonn · Sich für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine einzusetzen, ist vielen Menschen sehr wichtig. Wir erklären, worauf es bei der Vermittlung von privatem Wohnraum sowie Geld- und Sachspenden ankommt.

 Viele Menschen wollen Geflüchtete aus der Ukraine unterstützen - ob mit privatem Wohnraum, Geld- oder Sachspenden. Es gibt jedoch einiges zu beachten.

Viele Menschen wollen Geflüchtete aus der Ukraine unterstützen - ob mit privatem Wohnraum, Geld- oder Sachspenden. Es gibt jedoch einiges zu beachten.

Foto: obs/Aktion Deutschland Hilft e.V.

Angesichts von mehr als hunderttausend Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine ist die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung groß. Nur: In welcher Form kommt die Hilfe am besten an? Wir geben Tipps, was bei der Vermittlung von privatem Wohnraum, Geld- und Sachspenden zu beachten ist - und wie Helferinnen und Helfer das Leid nicht zu nah an sich heranlassen.

Was ist sinnvoller: Privates Engagement oder bei einer Hilfsorganisation mit anpacken?

Lukas Kunert von der Initiative „Unterkunft Ukraine“ vermittelt über eine Plattform privat Unterkünfte für Geflüchtete. Er hat einen klaren Rat: Schauen, wie die Lage im eigenen Wohnort ist. In großen Städten wie Berlin etwa gebe es eine sehr gute und professionelle Infrastruktur und erfahrene Nichtregierungsorganisationen (NGO). In kleineren Orten ohne dieses Netz könnten Menschen aber auch gut privat helfen. Die Stadt Bonn hat auf ihrer Webseite umfassende Informationen zu Hilfsmöglichkeiten für Geflüchtete zusammengestellt, auch der Rhein-Sieg-Kreis sammelt entsprechende Informationen online.

Wo und was sollte ich spenden, um Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen?

Die Stadt Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis können keine Geldspenden für die Menschen in der Ukraine sammeln und verweisen stattdessen auf internationale Hilfsangebote wie zum Beispiel „Bündnis Entwicklung Hilft und Aktion Deutschland Hilft“, die UNO-Flüchtlingshilfe oder „UN Women Deutschland“; letzteres unterstützt vor allem Frauen und Mädchen in der Ukraine.

Der Ge­ne­ral-An­zei­ger hat über seine Hilfsinitiative Weihnachtslicht die Son­der­ak­ti­on „Ukrai­ne“ gestartet. Spen­den, die un­ter dem Stich­wort „Ukrai­ne“ auf dem Weih­nachts­licht­kon­to (DE76 3705 0198 0000 0047 70, Spar­kas­se Köln-­Bonn) ein­ge­hen, wer­den zu 100 Pro­zent an die Ge­flüch­te­ten wei­ter­ge­lei­tet, die in Bonn und der Re­gi­on an­kom­men. Die Kos­ten für die Ab­wick­lung der Ak­ti­on über­nimmt der Ge­ne­ral-An­zei­ger. Weitere Informationen finden Sie hier.

Auch Sachspenden werden vielerorts gesammelt. Da sich der Bedarf jedoch ständig ändert und Aktionen oftmals kurzfristig zustande kommen, gibt es derzeit keine Sammelübersicht für Aktionen in Bonn oder dem Rhein-Sieg-Kreis. Oft hilft jedoch ein schneller Blick ins Netz, viele Städte und Gemeinden führen online Aktionen vor Ort auf. Die Stadt Bonn verweist zudem auf das gemeinnützige Zentrallager Sachspenden Bonn (ZeSaBo) als zentrale Anlaufstelle. Bevor Spenden dorthin gebracht werden, sollten Helferinnen und Helfer jedoch unbedingt die Bedarfslisten auf der Webseite des ZeSaBo beachten.

Was sollte ich beachten, bevor ich mein Zuhause für Geflüchtete zur Verfügung stelle?

Trotz hoher Hilfsbereitschaft ist es für Lukas Kunert von „Unterkunft Ukraine“ wichtig, vorher zu reflektieren, wie lange man seine Bleibe anbieten möchte. Drei Fragen können helfen: Traue ich mir das zu? Was kann ich leisten? Wie lange möchte ich eine Unterkunft bieten?

Die Gefahr: Das Zusammenleben könnte nach der ersten Euphorie zur Belastung für beide Seiten werden. Mareike Geiling von der Hilfsorganisation „Zusammenleben Willkommen“ rät deshalb von Kurzzeitangeboten unter drei Monaten grundsätzlich ab. Sie vermittelt Wohnungsangebote nur, wenn sie mindestens ein Jahr zur Verfügung stehen. Damit soll Geflüchteten eine zeitliche Perspektive geboten werden.

Auch die Stadt Bonn bittet darum, private Unterkünfte für einen möglichst langen Zeitraum zur Verfügung zu stellen.

Wer kann Geflüchtete aus der Ukraine bei sich zu Hause aufnehmen?

Kurz gesagt: jeder. Anders als in der Flüchtlingskrise 2015, während derer zahlreiche Menschen aus dem Nahen Osten Schutz in Deutschland suchten und hierzulande zunächst Asyl beantragen mussten, dürfen Geflüchtete aus der Ukraine ohne langwieriges Asylverfahren und auch ohne Visum nach Deutschland einreisen - und auch hierbleiben. Die Voraussetzungen dafür hat die Europäische Union mit der Aktivierung der sogenannten Massenzustromrichtlinie geschaffen. Erst, wenn Geflüchtete aus der Ukraine länger als drei Monate in Deutschland bleiben wollen, müssen sie sich bei den Behörden melden und eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Infos dazu finden Geflüchtete unter anderem auf der Webseite der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration (auch in englischer und ukrainischer Sprache).

Die Massenzustromrichtlinie besagt auch, dass Geflüchtete aus der Ukraine freie Wohnortwahl haben. Sie können in einer Erstaufnahmeeinrichtung oder in einer Privatunterkunft unterkommen. Diese Regelung gilt nach deutschem Recht übrigens nicht nur für ukrainische Staatsangehörige, sondern für alle Menschen, die sich bei Kriegsbeginn in der Ukraine aufgehalten haben, also zum Beispiel auch für Asylbewerber oder ausländische Studierende. Lediglich für unbegleitete Kinder und Jugendliche, gibt es spezielle Schutzvorschriften. Für ihre Aufnahme ist das Jugendamt zuständig.

Wo kann ich Wohnraum für Geflüchtete aus der Ukraine zur Verfügung stellen?

Über bundesweite Plattformen wie „Unterkunft Ukraine“ oder „Zusammenleben Willkommen“ können Menschen, die eine Unterkunft benötigen, Wohnungsgeber finden - und andersherum. Bei Online-Plattformen hilft ein Blick ins Impressum, um zu sehen, wer die Initiatoren sind und einschätzen zu können, wie seriös die Angebote sind.

Zudem bieten auch viele Städte und Gemeinden Plattformen an, auf denen sich Geflüchtete mit Privatpersonen, die ein Zimmer oder eine Wohnung zur Verfügung stellen wollen, vernetzen können. Die Stadt Bonn hat auf ihrer Webseite ein Formular eingerichtet, über das Angebote zur Unterbringung ukrainischer Geflüchteter direkt an das Amt für Soziales und Wohnen gemeldet werden können. Die Stadt Bonn bittet jedoch darum, möglichst langfristige Wohnangebote zu melden. Für Hilfsangebote und Fragen dazu hat die Stadt Bonn auch eine Telefonhotline eingerichtet, die täglich von 9 bis 17 Uhr unter der Nummer 0228 / 774 900 erreichbar ist.

Der Rhein-Sieg-Kreis stellt auf seiner Webseite ebenfalls Informationen zur Hilfe für Ukraine-Geflüchtete zur Verfügung und verweist auf die Hilfsangebote in den einzelnen Städten und Gemeinden.

Dürfen Helfer Bedingungen an ihr Engagement knüpfen?

Mareike Geiling von der Hilfsorganisation „Zusammenleben Willkommen“ weiß aus Erfahrungen mit früheren Fluchtbewegungen: Die Hilfsbereitschaft der Menschen kann auch schnell wieder abebben. Sie sagt: „Man soll sich vorab fragen, warum man helfen will? Und warum jetzt? Habe ich Erwartungen und Bedingungen an meine Unterstützung geknüpft?“

Um Enttäuschung im Zusammenleben zu vermeiden, sollte das Hilfsangebot ihrer Erfahrung nach nicht an Bedingungen geknüpft sein.

Wie gelingt das Zusammenleben mit Kriegsgeflüchteten?

Wer Menschen bei sich aufnimmt, die vor Krieg geflohen sind, ist mit einer anderen Lebensrealität konfrontiert. Um trotzdem gut zurechtzukommen, hilft laut Lukas Kunert ein verständnisvoller Umgang, der dem Gegenüber ausreichend Raum gibt. „Helfer sollten mitfühlen, aber auch Grenzen respektieren“, sagt er. Das bedeute, die Antwort zu akzeptieren, dass jemand Ruhe möchte und keinen Kontakt sucht.

Aus diesem Grund dürften Helfer nicht erwarten, dass Geflüchtete das zurückgeben können, was man gegeben hat, sagt Psychologin Eva Asselmann. Schließlich befänden sie sich in einer Ausnahmesituation. Dazu gehört auch das erlebte Leid der Geflüchteten.

Leid, das man ihnen nicht nehmen könne, sagt Asselmann: „Man muss es aushalten, nur indirekt helfen zu können.“ Vielmehr spielten für Geflüchtete ihrer Erfahrung nach Stabilität und Sicherheit eine wichtige Rolle. Sie sollten spüren: Hier kann ihnen nichts passieren.

Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine: Wie schützen sich Helfer davor, das Leid zu sehr an sich heranzulassen?

Die Experten raten, ihren Wohnraum nur anzubieten, wenn für beide Seiten genug Privatsphäre bleibt. Langfristig sei eine eigene Wohnung dafür die beste Lösung. Aber auch die eigene psychische Stabilität sollten Helfer hinterfragen, sagt Psychologin Eva Asselmann. Denn nur wer stabil genug sei, könnte die Kriegserfahrungen der Menschen aushalten.

„Der direkte Kontakt mit Geflüchteten bringt den Krieg sehr nah an einen ran“, verdeutlicht sie. Wer schon angesichts der Bilder in den Medien nicht mehr schlafen könne, sollte besser eine andere Form der Unterstützung wählen.

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(mit dpa)
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