Bonner Staatsanwalt spricht von der größten Gelddruckmaschine

Trio soll Fiskus mit einem "Umsatzsteuer-Karussell" um Millionen betrogen haben - Sitz der Firma in Troisdorf-Oberlar

Bonn. Was die drei Angeklagten, die sich seit Donnerstag vor der Bonner Wirtschaftsstrafkammer verantworten müssen, getan haben sollen, ist für das Gemeinwohl eine Katastrophe: Die 39-jährige Bonnerin und die beiden 47 und 56 Jahre alten Niederländer sollen mit Briefkastenfirmen, Scheingeschäften und Scheinrechnungen dem Fiskus um die acht Millionen Euro Umsatzsteuer abgenötigt haben - in weniger als einem Jahr.

Für Staatsanwalt Thomas Geyer, der die fast 100-seitige Anklage verfasste, ist die Masche, mit der die Angeklagten und eine Vielzahl weiterer, gesondert verfolgter Täter vorgingen, "die größte Gelddruckmaschine, die man sich denken kann". Laut Bundesrechnungshof wird mit diesem Delikt von gewieften Betrügern jährlich ein Schaden von über 20 Milliarden Mark angerichtet.

Im September 2000 hatten die Fahnder nach langwierigen Ermittlungen europaweit in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Österreich und der Schweiz zugeschlagen und das sogenannte "Umsatzsteuer-Karussell" gestoppt - auch im hiesigen Raum. Mit einer Razzia wurde heute vor zwei Jahren ein Dreh- und Angelpunkt des Karussells, die Firma Karma in Troisdorf-Oberlar, durchsucht.

Die handelte zwar tatsächlich mit Computern, vor allem aber betrieb sie einen Scheinhandel mit Computer-Zubehör. Denn die Firmen, mit denen sie angeblich Geschäfte machte, existierten nur auf dem Papier, nicht einen der beim Finanzamt geltend gemachten Warenartikel gab es in Wirklichkeit.

Betreiber von drei dieser Scheinfirmen waren laut Anklage unter anderen die Bonnerin mit einer Scheinfirma in Bad Godesberg und die beiden Niederländer. Die drei müssen sich nun als erste aus diesem Komplex vor der Wirtschaftsstrafkammer verantworten. Die beiden Niederländer sitzen seit fast zwei, beziehungsweise eineinhalb Jahren in U-Haft, die Bonnerin ist auf freiem Fuß. Sie wurde nach einem Monat U-Haft verschont.

Die gelernte Steuergehilfin soll von ihrem früheren Chef im Herbst 1999 auf die Idee gebracht worden sein, in dieses lukrative "Umsatzsteuer-Karussell" einzusteigen, das nur in der Kette miteinander operierender Scheinfirmen funktioniert. Der Bonner Unternehmer soll sich früher ebenfalls auf diese Weise, allerdings mit Kraftfahrzeug-Scheingeschäften, auf Kosten des Steuerzahlers bereichert haben. Als die Ermittlungen gegen ihn aufgenommen worden waren, hatte er sich ins Ausland abgesetzt.

Nicht abgesetzt, sondern Selbstanzeige erstattet hatte damals ein anderer Bonner, der ebenfalls in die Autoscheingeschäfte verwickelt war. Der ehemalige Karnevalsaktivist war 1999 mit einer hohen Geldstrafe davon gekommen und lebt nun laut Anklage ebenfalls im Ausland. In dem erst einmal auf zehn Tage terminierten Prozess soll er als Zeuge anreisen, wie viele andere Zeugen aus den Nachbarländern.

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