Hausbesuch: "Hier gibt es keine gerade Wand"

Heidi Hoffmann wohnt in der alten Alfterer Mühle, wo auch im Sommer schon mal der Holzofen brennt.

Hausbesuch: "Hier gibt es keine gerade Wand"
Foto: Wolfgang Henry

Alfter. "Mama, da unten steht ja ein Hexenhaus!" Das Kind, das durch die Bäume vom Hertersplatz nach unten lugte, bezahlte seine Entdeckung mit einem Schrecken. "Und ich bin die Hexe", antwortete es aus der Tiefe.

Eine Hexe ist Heidi Hoffmann natürlich nicht. Aber sie erzählt diese Anekdote, weil ihre Wohnsituation auch sie selbst an die Welt der Märchen erinnert.

Die 53-jährige Sozialpädagogin und Kunsttherapeutin bewohnt eine der vier Wohnungen im Haupthaus der alten Getreide- und Ölmühle, die sich zurückgesetzt an der Kronenstraße an den Hang zum Ortskern schmiegt. Die romantische Ausstrahlung des Gebäudes, das 1537 erstmals urkundlich erwähnt wurde, beendete Hoffmanns lange Wohnungssuche in Alfter.

Steckbrief Objekt: Alte Mühle, Haupthaus, Kronenstraße 19, Alfter
Entstehungszeit: Mittelalter, erste urkundliche Erwähnung 1537
Baustil: Fachwerkbau
Denkmalschutz: 1980
Größe: 300 Quadratmeter
Früher: Getreide- und Ölmühle
Heute: Mietshaus, umfassende Innenrenovierung 1980 bis 2010"Die Wohnung wollte ich unbedingt haben", berichtet Heidi Hoffmann. Angesichts mehrerer Bewerber überließ sie die Entscheidung des Maklers damals nicht dem Zufall. Sie stellte sich persönlich auch den Eigentümern vor - Dorothee und Wilhelm Unkelbach.

Sie betreiben in vierter Generation das Gasthaus "Zur Krone" nebenan und hatten die Mühle Anfang der 80er Jahre aus Familienbesitz übernommen. Das Fachwerkgehöft war 1971 von der Fürstenfamilie Wolff Metternich an Agnes Unkelbach verkauft worden, eine Tante von Wilhelm Unkelbach.

Sie hätte laut Kaufvertrag das Ensemble, zu dem auch Ställe, Gesindehaus und Wirtschaftsgebäude gehörten, abreißen können. Doch sie entschied sich für den Erhalt des traditionsreichen Anwesens, das früher der Fürstenfamilie Salm-Reifferscheidt-Dyck gehörte und etliche Pächter erlebte. Der rechte Gebäudeteil des Hauptgebäudes diente seit alters her als Wohnraum, links befanden sich Mühlrad und Mahlwerk.

Für den Betrieb kam das Wasser aus dem Mühlenteich, der sich aus dem Görresbach speiste. Der Teich befand sich oberhalb des Gebäudes dort, wo heute Ärztehaus, Bankgebäude und Parkplätze das Ortsbild bestimmen. Das Aus für die Mühle kam in den 30er Jahren mit der Kanalisation des Görresbaches.

Wegen des Entzugs der Wasserkraft habe für die Fortsetzung des Mahlbetriebs ein Motor angeschafft werden müssen. Der Müller beantragte bei der Gemeinde einen Zuschuss. Als eine Entscheidung vertagt wurde, legte der Besitzer die Mühle still.

Nun wurde auch der linke Gebäudeteil für Wohnzwecke hergerichtet. Lange Jahre lebten dort auch Bedienstete der Fürstenfamilie, die unter anderem für die Bewirtschaftung der fürstlichen Ackerflächen zuständig waren.

Sechs Mahlsteine, eingelassen im Boden vor dem Haupthaus, sind heute Zeugen der früheren Geschichte. Mit dem Übergang an die Familie Unkelbach begann eine lange Sanierungsphase. Denn bis dahin gab es beispielsweise für alle Bewohner nur ein Bad und WC, geheizt wurde mit Kohle- oder Ölöfen. Die alte Remise für Fahrzeuge und Gerätschaften wich einer Garagenreihe, zum Hertersplatz hin wurde ein Treppenaufgang angelegt.

Heidi Hoffmann erhielt 2002 den Zuschlag für die grundsanierte Erdgeschosswohnung rechts, nunmehr ausgestattet mit Gaszentralheizung und Einbauküche, modernem Duschbad und Kabelfernsehen. Der historische Charme blieb erhalten durch frei gelegtes Fachwerk und lehmverputzte Wände, knarrende Holzdielen, Türschwellen aus Eiche und Sprossenfenster.

"Hier gibt es keine gerade Wand", beschreibt Heidi Hoffmann eine weitere individuelle Note ihrer Räume, die sie gerade deshalb so sehr liebt, weil nicht alles bis in den kleinsten Winkel perfekt ist. Die Möblierung mit etlichen Möbeln aus der Zeit der Jahrhundertwende und Accessoires aus den 50er Jahren verstärken die altertümliche Anmutung. "Hier passt nichts Superfeines hinein", meint die Mieterin.

Ein Nachteil ist die überwiegend schattige Lage der Wohnung. Aber gegen die Kühle auch im Sommer hilft bei Bedarf ein zusätzlicher Holzofen im Wohnzimmer.

Ein Vorteil ist die rückwärtige Lage. "Vom Verkehr auf der Kronenstraße höre ich nichts". Die Vielzahl von Veranstaltungen an den Wochenenden hatte Heidi Hoffmann damals bewogen, aus der Brühler Innenstadt wegzuziehen. Alfter kannte und mochte sie bereits, weil sie nach ihrem Sozialpädagogikstudium in Köln eine Bildhauerausbildung an der Alanus Hochschule in Alfter absolvierte.

Sie schätzt die Freundlichkeit der Alfterer. Die feiern zwar auch gern, "aber das hält sich im Rahmen". Und wenn das Jugendorchester im Hof sein Mühlenfest feiert, dann ist auch Heidi Hoffmann gern mit dabei. "Das finde ich schön!"

Unter dem Titel "Hausbesuch" stellen wir in lockerer Folge interessante Gebäude im Vorgebirge vor. Hat Ihr Haus eine Geschichte? Dann schreiben Sie uns an vorgebirge@ga.de oder rufen Sie uns unter der Nummer (02 28) 66 88 474 an. Gerne besuchen wir Sie!

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