Sigmar Gabriel in Sankt Augustin Geschichtsstunde mit dem SPD-Chef

SANKT AUGUSTIN · "Currywurst ist SPD", so lautete 2012 ein Slogan der Sozialdemokraten im NRW-Landtagswahlkampf. Der Geruch von Currywurst lag in der Luft, als Sigmar Gabriel am Montagabend vor mehr als 250 Gästen in der Missionsprokur der Steyler Mission in Sankt Augustin sprach.

 Im Gänsemarsch: Sigmar Gabriel (von links), Sankt Augustins SPD-Vorsitzender Denis Waldästl, SPD-Kreisvorsitzender Sebastian Hartmann und Marc Knülle, Fraktionschef im Stadtrat.

Im Gänsemarsch: Sigmar Gabriel (von links), Sankt Augustins SPD-Vorsitzender Denis Waldästl, SPD-Kreisvorsitzender Sebastian Hartmann und Marc Knülle, Fraktionschef im Stadtrat.

Foto: Holger Arndt

Während der SPD-Bundesvorsitzende auf Einladung des Ortsvereins die 150-jährige Geschichte seiner Partei Revue passieren ließ und auf die Bundestagswahl am 22.September einschwor, wurde nebenan im Garten gegrillt. Für einen Bon konnte man dort ein Würstchen kaufen.

Currywurst taugt als Metapher für Bodenständigkeit. Und genau darum ging es auch in Gabriels rund 50-minütiger Rede. Um Bodenständigkeit. In 150 Jahren habe sich die Sozialdemokratie mit Werten wie Freiheit und Gerechtigkeit als Rückgrat der Demokratie in Deutschland bewährt, sagte der SPD-Chef. "Die Sozialdemokraten haben schon Demokratie gelebt, als man diese noch als unbürgerlich und undeutsch diffamiert hat."

Das Parteijubiläum war nicht nur der Aufhänger für eine Wahlkampfrede. Gabriel stieg durchaus tiefer in die Historie ein. Bei seiner Geschichtsstunde porträtierte die SPD als Partei von "kleinen Leuten, die Großes geleistet haben". Zum Beispiel Marie Juchacz, Gründerin der Arbeiterwohlfahrt. Oder Willy Brandt, erster SPD-Bundeskanzler. Und schließlich auch Gerhard Schröder. Selbst aus kleinen Verhältnissen stammend, habe er als Kanzler mit seinem Nein zum Irak-Krieg der USA mutig die Stirn geboten, erinnerte Gabriel. Über SPD-Urvater Ferdinand Lassalle, Bismarcks Sozialistengesetz, Otto Wels' Rede gegen das Ermächtigungsgesetz der Nazis und Brandts Entspannungspolitik der 70er Jahre kam Gabriel nach 20 Minuten schließlich im aktuellen Wahlkampf an.

Gelassen im Ton, verknüpfte er die Themen, die den Sozialdemokraten am Herzen liegen: Bildung, Mindestlohn, Chancengleichheit für Frauen und Männer beispielsweise, aber auch der Zusammenhang zwischen dem Arbeitsmarkt und der demografischen Entwicklung. "Selbst wenn wir das Kindergeld verfünffachen würden - es bringt nichts, weil junge Menschen nach Ausbildung oder Studium in keine sicheren Arbeitsverhältnisse kommen."

Auch die Stärkung der Kommunen thematisierte er, wobei er sich direkt an den anwesenden Sankt Augustiner Bürgermeister (und Christdemokraten) Klaus Schumacher wandte: "Wir müssen Städte und Gemeinden so ausstatten, dass sie Heimat sind." Würden sie verwahrlosen, sei eine Verwahrlosung in den Köpfen die Folge. Wie Kommunen Leistungen finanzieren sollen, die auf Landes- und Bundesebene beschlossen werden - diese Frage habe man zu lange ausgeblendet, sagte Gabriel.

Woher das Geld für solche Forderungen kommen soll? Dazu nannte der SPD-Parteichef eine "schwierige, aber ehrliche Antwort": Steuererhöhungen für Wohlhabende oder - noch besser - eine stärkere Regulierung des Bankensektors in Europa. "Ich wünsche mir, dass in den Banken Schilder aufgestellt werden. Aufschrift: 'Hier endet die Haftung des Steuerzahlers'."

Vor allem müsse es im Wahlkampf aber darum gehen, die Nicht-Wähler zu überzeugen, mahnte Gabriel. Das forderte auch die SPD-Bundestagskandidatin Bettina Bähr-Losse in einer kurzen, engagierten Ansprache. Auch sie bekommt es immer wieder mit Politikverdrossenheit zu tun: "An vielen Haustüren merkt man, wie sehr die Leute resignieren."

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