Kreisjugendamt sucht Pflegeeltern Pflegefamilien im Rhein-Sieg-Kreis geben Kindern neues Zuhause

Rhein-Sieg-Kreis · Das Kreisjugendamt Rhein-Sieg sucht Menschen, die Kindern und Jugendlichen als Pflegeeltern ein neues Zuhause geben können. Kindern wie der kleinen Lisa: Der Anruf, der alles änderte, ging am 2. Mai 2019 bei ihrer heutigen Pflegemutter ein.

 Im Bereich des Kreisjugendamtes lebten im vergangenen Jahr Kinder in 247 Pflegefamilien. Das Amt sucht weitere potenzielle Kandidaten.

Im Bereich des Kreisjugendamtes lebten im vergangenen Jahr Kinder in 247 Pflegefamilien. Das Amt sucht weitere potenzielle Kandidaten.

Foto: picture alliance / dpa/Andreas Gebert

Wenn Sabine Hofmann (alle Namen geändert) über die Wochen rund um den 2. Mai 2019 redet, fällt immer wieder ein Wort: Glück. Vor genau zehn Monaten erhielt sie einen Anruf vom Jugendamt, ob sie und ihr Mann ein kleines Mädchen kennenlernen möchten. Das Ehepaar aus dem Rhein-Sieg-Kreis wollte und lernte Lisa kennen, die zu dem Zeitpunkt noch bei Bereitschaftspflegeeltern lebte. Das Kind habe damals viel geschrien, erzählt Hofmann. Als sie es jedoch das erste Mal auf ihren Arm nahm, wurde es ruhig. „Ist das Glück?“, fragte sie sich. Nach einigen Tagen Überlegung und weiteren Telefonaten mit dem Jugendamt kam der nur wenige Wochen alte Säugling zu den Hofmanns, die seitdem Lisas Pflegeeltern sind.

„Das ist schon ungewöhnlich, dass ein Kind so früh zu Pflegeeltern gegeben wird. Sonst vergeht mehr Zeit“, sagt Simone Brede, Fachberaterin für Vollzeit- und Bereitschaftspflege im Kreisjugendamt des Rhein-Sieg-Kreises, und erklärt: „Es werden immer erst einmal alle Möglichkeiten ausgelotet, das Kind bei den Eltern zu lassen.“ Beispielsweise durch ambulante Hilfe oder eine Mutter-Kind-Einrichtung. Das Ziel, das Elternhaus zu stabilisieren, kann auch einmal mehrere Monate oder sogar Jahre dauern. Aber: „Es gibt immer Eltern, die das nicht schaffen. Oft können sie es auch einfach nicht“, sagt Brede.

Bei Lisa war das anders. Ihre Mutter war drogenabhängig und hat sich ausdrücklich dafür ausgesprochen, dass ihr Kind perspektivisch in einer Pflegefamilie leben soll. „Es war schon von Anfang an klar, dass sie das Kind nicht wollte“, sagt Hofmann.

Bei ihren Pflegeeltern schlief das Mädchen zunächst viel, anders als in den Tagen, bevor sie zu ihrer neuen Familie kam. „Es ist oft so, dass Kinder unruhiger sind bei unklarer Perspektive“, erklärt Brede. „Es ist einfach ihre Art gewesen“, glaubt Hofmann. Mittlerweile schläft das Kind weniger. „Es ist so ein fröhliches Kind.“ Hofmann strahlt und sagt: „Wir haben einfach Glück gehabt.“

Bis sie zu ihrem Glück gekommen sind, hat es ein wenig gedauert. Vor rund zwei Jahren haben die Hofmanns beim Jugendamt angefragt. Es folgte ein Erstgespräch mit einem Mitarbeiter und ein Hausbesuch. Das Jugendamt meldet die Interessenten dann für einen Qualifizierungskurs an. Dieser findet an sieben Abenden und einem Ganztag statt.

Sabine Hofmann fand das gut. „Ich hab mich dabei auch selber geprüft“, erzählt sie. Es komme immer wieder vor, dass sich Interessenten mit falschen Erwartungen an die Jugendämter wenden, weiß Simone Brede zu berichten. „Wir suchen immer eine Familie für ein Kind, nicht umgekehrt“, sagt sie und ergänzt: „Die Pflegeelternschaft lebt davon, wie sich Eltern auf das Kind einstellen können.“ Hofmann merkte ebenfalls: „Wir müssen uns dem Kind anpassen.“ Nach dem Kursus findet ein Auswertungsgespräch statt, mit der die Qualifizierung im besten Fall abgeschlossen werden kann. Jährlich werden in der Kooperationsgemeinschaft des rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreises rund 20 Familien neu qualifiziert, 2019 waren im Bereich des Kreisjugendamtes Pflegekinder in 247 Familien untergebracht, teilt der Rhein-Sieg-Kreis mit.

Ein Pflegekind aufnehmen können Verheiratete, Ledige, Alleinstehende sowie Paare, die mit oder ohne Kinder leben, aus allen Kulturkreisen. „Es ist nicht nur ein Zuhause und Liebe geben“, sagt Brede über potenzielle neue Pflegeeltern. „Wir brauchen Pflegeeltern, die die Bedürfnisse der Kinder in den Fokus nehmen und nicht die eigenen.“

Pflegepersonen müssen bereit sein, mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten. Sechs Mal im Jahr gibt es Kontakt zwischen der Familie und dem Jugendamt – mindestens. Wenn es Schwierigkeiten gibt, auch häufiger. Von oben herab rede das Jugendamt nicht auf die Eltern ein. „Die Pflegeeltern sind Experten für das Kind, das Jugendamt für das System“, sagt Brede.

Das Kreisjugendamt vertrete einen bindungsorientierten Ansatz, erklärt die Fachberaterin. „Wenn die Bindung zwischen Eltern und Kind gelingt, gelingt auch alles andere.“ Der Fokus liege aus diesem Grund darauf, diese Bindung herzustellen.

Pflegeeltern müssen bereit sein, auch mit der Herkunftsfamilie des Kindes oder des Jugendlichen zusammenzuarbeiten. „Wir forcieren regelmäßige Besuchskontakte. Das ist für die Identitätsentwicklung und die Biografie des Kindes wichtig“, sagt Brede. Sabine Hofmann hat sich bislang einmal mit Lisas Mutter getroffen. „Sie war sehr locker. Es war sehr schön, sie kennenzulernen.“ Weitere Kontakte und Treffen habe es nicht gegeben. Das Jugendamt bemüht sich jedoch darum, dass weitere dazukommen. Die Fachberaterin sagt aber auch: „Wir können es nur versuchen.“

Lisa sähe vom Gesicht her komplett aus wie ihre Mutter, findet Hofmann. „Ich sage zu ihr auch immer: Du lachst so schön wie deine Mutter.“ Doch in einigen Jahren geht es nicht mehr nur um das Lachen und Ähnlichkeiten zwischen Mutter und Kind, sondern um die Herkunft des Kindes. Die Fragen werden irgendwann kommen. Das sei auch wichtig, sagt Brede. „Das ist dann eine besondere Aufgabe für die Pflegefamilien.“

Bei der Zusammenarbeit mit der leiblichen Familie ist dem Jugendamt eines wichtig: „Es ist unser Ziel, dass das gut harmoniert“, sagt Brede, fügt aber auch an: „Es muss klar sein: Der Lebensmittelpunkt liegt in der Pflegefamilie.“ Vor allem wenn das Kind – wie im Falle der Hofmanns – auf unbestimmte Zeit oder auf Dauer bleiben soll, sei eines entscheidend: „Das Ziel ist, dass Kinder sich in Pflegefamilien verwirklichen“, sagt Brede. So wie es jetzt bei Lisa und den Hofmanns der Fall ist.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort