Torwart-Titan in Topform Manuel Neuer lässt das DFB-Team hoffen

Bonn · Zum Abschluss des Nations-League-Viererpacks geht es für das DFB-Team gegen Italien um den Gruppensieg. Doch derzeit zeigt nur Torwart Manuel Neuer beständig Topform.

 Klare Verhältnisse: Die deutsche Nummer 1, Manuel Neuer (links), marschiert vornweg, Kevin Trapp (Mitte) und Oliver Baumann hinterher.

Klare Verhältnisse: Die deutsche Nummer 1, Manuel Neuer (links), marschiert vornweg, Kevin Trapp (Mitte) und Oliver Baumann hinterher.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Der Torwart Kevin Trapp hat sich nichts vorzuwerfen. Rein gar nichts. Was kann er denn dafür, dass er immerzu an einem abprallt, der ein wahrscheinlich noch größerer Titan ist als Oliver Kahn? Ein Blick in das beliebte Periodensystem verrät alles, aus was diese weltlichen Riesen im Tor geschaffen sein müssen: Titan gehört zu den chemischen Elementen mit dem Symbol Ti und der Ordnungszahl 22. Zwar hat es eine geringe Dichte, kann aber eine hohe Festigkeit erreichen. Auch eine wohltuende Schutzschicht ist dem Übergangsmetall eigen. Es ist dehnbar, korrosions- und temperaturbeständig. Oliver Kahn bestand zu 100 Prozent aus Titan, und betrachtet man seinen rechtmäßigen Erben bei den Bayern und im Nationalteam, dann lässt sich behaupten, dass neben den 100 Prozent Titan, aus denen auch Manuel Neuer hergestellt ist, noch einige Prozent mehr an Gefühl stecken. Vor allem in den Füßen.

Trapp, der mit überragenden Leistungen zuletzt Eintracht Frankfurt zum Europa-League-Triumph geführt hat, begleitet also das Problem, dass da einer vor ihm steht, den Bundestrainer Hansi Flick unverändert als „weltbesten Torhüter“ einstuft. Der Mann aus München sieht ja gar nicht ein, seiner seit Jahren drängelnden Konkurrenz in irgendeiner Weise das Feld zu überlassen. Er will selbst auf dem Feld stehen, solange es sein Titankörper erlaubt. Die körperliche Fitness müsse schon da sein, sagte Neuer, 36, am Montag vor der Abreise aus Budapest ins Rheinland, wo an diesem Dienstag das Nations-League-Rückspiel gegen Italien in Mönchengladbach ansteht (20.45 Uhr/ZDF). Gegen die Südeuropäer, das ließ er durchblicken, würden ihm ein Erfolgserlebnis „gut schmecken“, denn noch sei der Mannschaft nicht „der Punch“ gelungen, drei Punkte in diesem Wettbewerb zu holen.

Gut geschmeckt hatten die jüngsten Leistungen nicht durchgängig, dass das am Sonntagabend anders war in Budapest, davon ist zumindest auszugehen. Der Bundestrainer hatte den Spielern freigegeben, um ein „auswärtiges Essen“, wie es Neuer ausdrückte, zusammen zu erleben. Klar, versehen mit einer DFB-internen Sperrstunde. Natürlich habe man sich auch dort über Fußball und die jüngsten Resultate ausgetauscht, berichtete der deutsche Kapitän, denn es gab ja einiges aufzuarbeiten. Er habe eine „gute Atmo“ beim Abendmahl ausgemacht, und der Hunger (auf erfolgreiche Spiele) sei immer vorhanden, die „Einstellung immer richtig“, sagte er, bekannte aber gleichzeitig, dass Kreativität und Durchschlagskraft zuletzt gefehlt hätten.

Neuer und die DFB-Elf wollen endlich den ersten Dreier

Tatsächlich taugten die bisherigen Vorträge ja nur sehr bedingt dazu, große Hoffnungen auf eine Titelchance der Deutschen bei der Winter-WM in Katar zu wecken. Schmackhaft war das bislang lediglich in Ansätzen, was die DFB-Elf bei den drei 1:1-Unentscheiden gegen Italien, England und Ungarn darbot, nachdem der Test zuvor gegen die Niederlande ebenfalls mit 1:1 geendet hatte. Neuer, der Korrosions- und Temperaturbeständige, ließ sich von seinen müden Mannschaftskollegen nicht irritieren, er spielte, wie er meistens spielt, wird er nicht von einem Mittelfußbruch wie vor der WM 2018, dessen Heilung sich Monate hinzog, oder ähnlichem daran gehindert: sehr überzeugend.

Es scheint, als habe nur Neuer noch die nötigen Körner, die das Team nun in dieser fordernden Phase nach den Wünschen Flicks „raushauen“ soll, in seinem inneren Tresor eingeschlossen, die nur darauf warten, auf das Spielfeld zu kommen. Er zeigt am Ende „einer langen, anstrengenden Saison“ (Neuer) im DFB-Team noch konstant die geistige und körperliche Frische und Widerstandsfähigkeit, die Duelle mit Nationen auf diesem Niveau erfordern.

Neuer hat die Heim-EM 2024 fest im Blick

An eine Auszeit denkt der Ehrgeizige selbstredend auch beim erneuten Aufeinandertreffen mit den Italienern nicht. „Mit Blick auf die WM kann man kein Spiel einfach fallen lassen“, sagte Neuer. Denn er erkennt die Notwendigkeit eines Einspielens des festen Kerns der Mannschaft, gerade in der Abwehr; „hilfreiche Automatismen“ sollen helfen, dass das für ein Weltturnier zwingend notwendige Niveau erreicht werden kann, „wenn es um den großen Titel geht“. Noch erweckt der 2014er Weltmeister, der damals das Torhüterdasein – auch bedingt durch seine verblüffenden Fertigkeiten mit dem Ball am Fuß - auf ein neues Level hob, noch lange nicht den Eindruck, sich in den vorzeitigen Ruhestand zurückziehen zu wollen. Sein Erfolgshunger ist ungestillt. Und dem haben sich auch seine Konkurrenten Marc André ter Stegen (30), Kevin Trapp (31) oder Oliver Baumann (32), ebenfalls nicht mehr die allerjüngsten ihrer Zunft, offenbar unterzuordnen. Dank beständig guter Leistungen scheint der Münchner ihnen leise einzuflößen: Es gibt keinen Platz neben mir! Und tatsächlich: In diesem Jahr fand lediglich Trapp einmal gegen Israel beim 2:0 den Platz zwischen den deutschen Pfosten.

Vertrag bei den Bayern bis 2024 verlängert

Für die Nachkommen muss es schon wie eine ernsthafte Drohung klingen, wenn Neuer sagt, er möchte sich zwar nicht über den „Rasen schleppen, wenn ich aber gesund bin, wird man sehen, wie lange es sein wird“. Seinen Vertrag bei den Bayern hat er gerade bis 2024 verlängert. Und die Heim-EM hat er ebenfalls auf seiner To-do-Liste markiert.

Seine langwierige Fußverletzung betrachtet er dabei als lohnende Pause, er müsse die zwei Jahre „nicht wieder reinholen“, sagte er am Montag, aber „vielleicht hänge ich sie hinten dran“. Er schmunzelte. Ohnehin ist er ein eher sanfter Riese, er muss niemanden wegbeißen wie der Ur-Titan Oliver Kahn. Das will Neuer auch gar nicht, er ist ein Titan der Moderne. Fest und dehnbar.

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