EU-gefördertes Pilotprojekt Uniklinik untersucht Bonner Abwasser auf Coronaviren

Bonn · Das Tiefbau- und das Gesundheitsamt der Stadt nehmen an einem EU-geförderten Pilotprojekt des UKB-Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit teil. Es soll herausgefunden werden, ob Corona-Viren im Abwasser der städtischen Kläranlage nachgewiesen werden können.

 Um den Nachweis von Corona-Viren und anderer Krankheitsherde im Abwasser geht es bei der aktuellen Untersuchung des UKB.

Um den Nachweis von Corona-Viren und anderer Krankheitsherde im Abwasser geht es bei der aktuellen Untersuchung des UKB.

Foto: Benjamin Westhoff

40.000 Kubikliter graues Wasser fließen täglich in Strömen durch ein Becken, das inmitten eines großen grauen Betonbaus unterhalb der grauen Betonpfeiler der A565 liegt. Die städtische Kläranlage in Bonn-Castell mutet optisch etwas weniger erhellend an als Erkenntnisse, auf die das Uniklinikum Bonn (UKB) in einer aktuellen Studie hofft. In Kooperation mit Gesundheits- und Tiefbauamt untersucht das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit des UKB ab sofort das Abwasser der Stadt Bonn, welches in der Kläranlage am Salierweg aufbereitet wird.

Einerseits könnte ein erhöhtes Vorkommen von Coronaviren nachgewiesen werden. Andererseits hofft das Gesundheitsamt darauf, generell Infektionskrankheiten vorherzusagen. Denkbar wäre, ein Abwasserüberwachungssystem für Frühwarnungen einzurichten, sagt Liane Marciano vom Gesundheitsamt bei einem Pressetermin am Dienstagmorgen. "Wir arbeiten bisher bei der Erfassung von Covid-Infektionen mit Testungen, insofern ist diese neue Methode sehr spannend. Wir erhoffen uns von diesem Abwasser-Monitoring, Inzidenzen und auch verschiedene Corona-Varianten nachzuweisen."

Der Vorteil von Abwasseruntersuchung: Die Proben kommen von ganz alleine

Diese Nachweise könnten dann auch mit Stadtvierteln und dort herrschenden sozioökonomischen Faktoren oder Impfstatus in Verbindung gebracht werden. Besonders spannend ist für Nico Mutters, dem Direktor des Hygieneinstituts des Universititätsklinikums, dass es in der Kläranlage Salierweg zwei verschiedene Einzugsgebiete gibt: auf der einen Seite die von mehreren städtischen Krankenhäusern, auf der anderen Seite das restliche Stadtgebiet ohne klinischen Einfluss. Das sei eine „einmalige Chance", um „Corona-Inzidenzen und Hospitalisierungsraten in Korrelation zu den Abwasseruntersuchungen zu setzen", so Mutters.

Aber ist dieser Weg der Probenentnahme nicht deutlich langsamer als simple Corona-Abstriche? Die Ausscheidungen müssen erst in die Kanalisation, dann ins Klärwerk und am Ende ins UKB gelangen. Richtig, antwortet Mutters. Das Abwasser-Monitoring ist in der Breite jedoch einfacher durchzuführen, denn die Proben kommen auf natürlichem Wege hektoliterweise und von ganz alleine. Außerdem sind die Testungen passiv. Menschen kommen normalerweise aus einem Anlass in ein Testzentrum. Symptomfreie Menschen deutlich seltener. Zweimal pro Woche werden Abwasserproben im Klärwerk genommen, ins UKB transportiert und dort untersucht. Fünf bis sechs Stunden dauert die Inspektion der Proben dort.

Einmaliges Forschungsprojekt für das Klärwerk

Im Abwasser können somit auch symptomfreie Erkrankungen erkannt und damit auch vorausgesagt werden. „Dann kann man gezielt Maßnahmen ergreifen. Zum Beispiel, indem man in Stadtteilen mit erhöhten Positiv-Nachweisen nochmal gezielt Abstriche unternimmt", ergänzt Mutters. Nachteil der Testungen sei, dass man die Ergebnisse nicht straßengenau zuordnen könne. Die EU fördert das Projekt für dieses Jahr mit 60.000 Euro. Die sind aber nur für Material und nicht für Personal bestimmt. Dieses bezahlt das Hygieneinstitut aus der eigenen Tasche, „weil wir das Projekt als wichtig erachten“, sagt Mutters.

„Abwasser ist negativ besetzt. Das riecht ja auch unangenehm. Umso mehr freue ich mich, dass wir jetzt einen wichtigen Beitrag zur Forschung mit unserem Klärwerk leisten können", sagt Leiter Achim Höcherl. Hochinteressant sei dieses Kooperationsprojekt, das in kleinerer Form so ähnlich schon mal im Oktober 2020 stattgefunden habe. Ansonsten ist das Projekt ein Novum für die Bonner Klärwerke, Influenza-Viren oder ähnliches wurden im Bonner Abwasser noch nicht gesucht.

Schutz der Mitarbeiter vor infektiösem Abwasser muss gewährleistet werden

Der Schutz des Personals, welches die Proben entnimmt, habe hohe Priorität, sagt Tiefbauamts-Leiter Peter Esch. Anfangs sei die Sorge gewesen, man könne sich über die Aerosole im Abwasser mit Covid infizieren. Dem entgegen stünde aber, dass die Mitarbeiter bereits einen hohen Schutz-Standard gewohnt seien, da alle möglichen Keime im Abwasser unterwegs sind, wie Influenza oder Hepatitis. FFP2-Masken, Gesichtsschutz und Abduschen vorm Verlassen des Gefahrenbereichs gehöre zum Standard für die Wartungsarbeiter.

Auch der Drogenkonsum in einer Stadt kann über das Abwasser gespiegelt werden, beispielsweise durch Kokain-Rückstände in Ausscheidungen, sagt Klärwerksleiter Höcherl. Solche Untersuchungen seien allerdings in Bonn noch nicht unternommen worden.

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