WCCB-Prozess Gericht lädt 46 Bonner Stadträte als Zeugen vor

BONN · Im Marathonprozess gegen den WCCB-Investor Man-Ki Kim und andere, der bereits als 108 Verhandlungstage dauert, wird die Latte für eine neue Rekordmarke eines Verfahrens der Bonner Wirtschaftsstrafkammer noch höher gelegt: Weitere 46 Zeugen, allesamt Mitglieder des Bonner Stadtrats im Dezember 2005, werden geladen.

So entschied am Dienstag die Bonner Wirtschaftsstrafkammer unter Vorsitz von Richter Jens Rausch und gab damit einen Hilfsbeweisantrag von Kims Strafverteidiger Walther Graf statt.

Am 6. März soll der "streng terminierte", so Rausch, Aufgalopp der Zeugen beginnen - der Tag, an dem eigentliche das Urteil über Kim und seine damaligen Berater, Ha-S. C. und Wolfditrich Thilo gesprochen werden sollte.

Bei der neuerlichen Zeugenvernehmung geht es konkret um einen Punkt aus der Anklageliste gegen Kim: Wurde der Stadtrat im Vorfeld seiner Investorentscheidung zum World Conference Center Bonn (WCCB) am 14. Dezember 2005 von dem Südkoreaner betrogen? Und zwar mit dem Weltkonzern-Märchen, wonach Kims SMI Hyundai Corporation gesellschaftsrechtlich mit dem 40-Milliarden-Umsatz-Riesen verbunden sei. Schließlich die Frage: Und wenn die "Weltkonzern-Theorie" in allen Ratsköpfen war, gab sie den Ausschlag für die Pro-Kim-Entscheidung der Volksvertreter-Versammlung?

Kims Verteidiger versucht auf diese Weise, inhaltlich die Täuschung zu widerlegen beziehungsweise sie als nicht entscheidend für das Ratsvotum zu entlarven. Dagegen hat das Gericht den Antrag "insbesondere aus prozessualen Gründen" genehmigt. Das bedeutet: Es will sein Urteil auf breitem Fundament fällen und sich später keine Rüge wegen eines Verfahrensfehlers von der nächsthöheren Instanz einhandeln. Kurzum: Die Genehmigung des Antrags soll das noch zu fällende Urteil revisionssicher machen.

Ob die Vernehmung weiterer Ratsmitglieder mehr Erkenntnisse bringt als das, was bisher vernommene Kommunalpolitiker bereits ausgesagt haben? Tenor ihrer Aussagen vor Gericht (s. Millionenfalle 81) war, dass nahezu alle Zeugen dachten, da wäre beim Investor SMI Hyundai ein Weltkonzern im Spiel, und der Investor sei von der Sparkasse KölnBonn geprüft und für solvent befunden worden.

Die Prüfung, so die Beweisaufnahme vor Gericht, fand zwar statt, aber das Ergebnis war den Ratsmitgliedern vorenthalten worden - auch, dass die Stadt schließlich die Kreditzusage der Sparkasse nur über eine städtische Bürgschaft erreichte, die offiziell "Nebenabrede" hieß, worunter sich die Politiker jedoch alles Mögliche vorstellten, nur keine konkrete Haftung für 74 und später 104 Kredit-Millionen.

Falk Kivelip (FDP) hatte zum Beispiel ausgesagt: "Wir haben 2005 gedacht, die Bank sichert sich lieber drei Mal zu viel als zwei Mal zu wenig ab." Oder Klaus-Peter Gilles (CDU): "Für mich war ausschlaggebend, dass Verwaltung und Sparkasse das ordentlich geprüft haben." Oder Peter Finger (Grüne): "Von keinem der Beteiligten ist der Suggestion vom Weltkonzern entgegengetreten worden." Der Richter hatte Martin Schilling (SPD) gefragt: Gab es kritische Diskussionen in der Fraktion? Schilling: "Diskussionen über Parkbänke dauern in der Regel länger als über ein solches Bauvorhaben."

Wie die städtische Bürgschaft zustande kam, wer sie ausgehandelt hat, liegt weiter im Dunkeln. Graf hatte in seinem Plädoyer festgestellt: "Was in der Zeit zwischen dem 25. Oktober und 2. November 2005 wirklich passiert ist, hat die Kammer nicht aufgeklärt. Wir kennen nur das Ergebnis." Am 25. Oktober hatte die Sparkasse den Kredit abgelehnt, am 2. November, dann mit Bürgschaft, zugesagt.

Kims Verteidiger hat viele Fragen: "Hatte die Bundesstadt Bonn eigentlich in der verfahrensgegenständlichen Zeit ein Stadtoberhaupt, das die Geschicke der Verwaltung bestimmte? Wenn ja, warum agierte Frau Dieckmann als Phantom der Akten? War sie sich vielleicht sehr früh der enormen Risiken bewusst und hat zwei loyale, aber fachlich doch recht limitierte Getreue in den Regen gestellt? Warum macht sie (die Staatsanwaltschaft/Anm. d. Red.) in der Einstellungsverfügung erstaunliche Klimmzüge - sogar die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts lässt sie für Frau Dieckmann streiten -, während sie es bei anderen Beschuldigten beim juristischen Bodenturnen belässt? Warum wird die Täuschung der Ratsmitglieder über den Sinn und Umfang der ersten Nebenabrede nicht verfolgt?"

Möglicherweise verfolgt das Gericht diese Fragen erst in den nächsten Verfahren, wenn städtische Mitarbeiter vor Gericht stehen. Vielleicht beruft es aber auch den damaligen Sparkassenvorstand Gustav-Adolf Schröder jetzt schon in den Zeugenstand, wie es Graf gefordert hat. Das entschied die Kammer am Dienstag noch nicht.

Das WCCB-Verfahren

Der erste WCCB-Prozess startete Ende September 2011. Auf die Anklagebank kamen WCCB-"Investor" Man-Ki Kim, seine damaligen Berater, der Rechtsanwalt Ha-S. C. und Wolfditrich Thilo, der seit Jahren keine Zulassung als Anwalt mehr besaß, und der ehemalige städtische Berater Michael Thielbeer. Gegen ihn ist das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage von 150.000 Euro eingestellt worden.

Für Kim hat die Staatsanwaltschaft sieben Jahre Haft gefordert wegen besonders schweren Betruges in zwei Fällen und Abgabe einer falschen Eidesstattlichen Versicherung. Der Südkoreaner sitzt bereits mehr als zwei Jahre in U-Haft. C. soll nach dem Willen der Ermittler wegen besonders schweren Betruges und Bestechung vier Jahre und Thilo soll zweieinhalb Jahre Haftstrafe erhalten. Voraussichtlich Ende des Jahres beginnt der zweite WCCB-Prozess. Auf der Anklagebank sollen die einstigen städtischen WCCB-Projektleiter, Ex-Stadtdirektor Arno Hübner und Bürgeramtsleiterin Eva-Maria Zwiebler sitzen.

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