Notizen aus B. Kein Platz für Schmähkritik

Meinung · Wenn Sie hier jetzt irgendwas mit Böhmermann erwarten, vergessen Sie's. Nicht dass wir vor irgendwem Angst hätten! Schon gar nicht vor fremden Mächten oder vor Ziegen, die man vom diplomatischen Eis holen muss.

 Blick ins Bürgeramt im Bonner Stadthaus.

Blick ins Bürgeramt im Bonner Stadthaus.

Foto: MLH

Es ist viel simpler. In Bonn gibt es einfach nichts und niemanden, der für lyrische Schmähkritik infrage kommt. Nicht mal eine psychotische Grenzerfahrung wie die Autofahrt im Bonner Stadtverkehr verleitet dazu, primitiv, obszön, menschenverachtend, geschmack-, stil-, niveaulos oder gar – um mal die Kanzlerin zu bemühen – bewusst verletzend über örtliche Verhältnisse oder Protagonisten zu reimen. Im Gegenteil! Ganz Bonn gebührt der Grimme-Preis! Und ja: Spätestens hier müssen sich auch mal die Medien hinterfragen!

Denn genüsslich haben auch wir uns – die schnelle Schlagzeile witternd – an den Zuständen im Bürgeramt geweidet. Und dabei blind verkannt, dass die Verwaltung – subtil, wie ihr Humor eben ist – mit dem Beitrag doch bloß demonstrieren wollte, was Satire in Deutschland nicht darf! Wer das jetzt immer noch nicht verstanden hat, kann den Sketch noch bis mindestens Oktober in der Mediathek des Stadthauses (Plus-Eins-Ebene) abrufen. Sollte beim Zuschauen Hunger aufkommen, gibt es auf der Ostplattform neuerdings Gelegenheit zum Grillen. Wenn Sie das jetzt für Satire halten, fehlt Ihnen jedes Gespür für Politik. Der Stadtrat hat vergangene Woche die Grillparty auf öffentlichen Plätzen freigegeben.

Einmal mehr lehrt uns also das Bonner Leben, dass gelungene Satire viel mit der Sensorik für den Augenblick zu tun hat. Unsereins kamen früher oft die lustigsten Einfälle, wenn wir morgens in der ersten Stunde bei Frau Peters den Sonnenaufgang über dem Siebengebirge bewunderten. Dummerweise war ausgerechnet der Lateinunterricht bei Frau Peters der denkbar schlechteste Moment für gedankliche Ausschweifungen im Reiche des Humors. Die Rechnung folgte auf dem Fuß, oft in Gestalt unangekündigter Vokabeltests. Manchmal half es in letzter Not, beim Witzemachen völlig ernst zu bleiben. Aber auch das muss man in Bonn niemandem mehr beibringen, wie eine Schlagzeile am Donnerstag verriet: „Stadt schlägt neues Hallenbad in Dottendorf vor“.

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