Adenauer-Stiftung Norbert Lammert erinnert in Bonn an die Wiedervereinigung

Bonn · Der Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert hat für die Adenauer-Stiftung im Plenarsaal an den Zusammentritt der Weimarer Nationalversammlung, die Gründung der Bundesrepublik und den Mauerfall, die sich 2019 zum 100., 70. und 30. Mal jähren, erinnert.

 Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert erinnert für die Adenauer-Stiftung im Plenarsaal an die Wiedervereinigung 1990.

Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert erinnert für die Adenauer-Stiftung im Plenarsaal an die Wiedervereinigung 1990.

Foto: Martin Wein

Der Mainzer Geschichtswissenschaftler Andreas Rödder hat in Bonn vor einem neuen Hegemonial-Verhalten Deutschlands in Europa gewarnt. In einer Feierstunde der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Tag der Deutschen Einheit sagte Rödder am Donnerstagnachmittag, die Bundesrepublik stehe seit 2014 erneut als stärkster Staat Europas in der gleichen Position wie 1914. Die Bundesregierung stehe damit vor einem „Balance-Problem zwischen rücksichtsloser Führung und führungsloser Rücksicht“. Was wie die Migrationspolitik im Inland als humanitäre Verpflichtung verstanden werde, erscheine aus externer Perspektive oftmals als Bevormundung.

Parallel zu den nationalen Feierlichkeiten in Kiel hatte die CDU-nahe Stiftung rund 700 ehemalige und derzeitige Funktionsträger und Interessierte zu ihrer jährlichen Veranstaltung in den ehemaligen Plenarsaal des Bundestages geladen. Der 29. Jahrestag der Wiedervereinigung sei „rundum ein Anlass zum Feiern“ betonte der Stiftungspräsident und ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Er erinnerte an den Zusammentritt der Weimarer Nationalversammlung, die Gründung der Bundesrepublik und den Mauerfall, die sich 2019 zum 100., 70. und 30. Mal jähren.

Der DDR-Bürgerrechtler und Autor Durs Grünbein hinterfragte in einer Lesung autobiographischer Textfragmente aus der Zeit vor der Wende bis in die Gegenwart, warum die Wende und der Beitritt der neuen Länder zur Bundesrepublik von vielen ehemaligen Bürgern der DDR nicht als Befreiung wahrgenommen wird. Grünbein selbst war im Oktober 1989 als einer der ersten auf dem Alexanderplatz auf die Straße gegangen und von Volkspolizisten verhaftet, verprügelt und als „konterrevolutionäres Schwein“ verunglimpft worden. Er betonte, zunächst habe nur eine Minderheit aus Dissidenten, Träumern, Künstlern und Intellektuellen das Wort erhoben. Die Mehrheit sei passiv geblieben und hätte eine „chinesische Lösung“ – also die militärische Niederschlagung des Aufstandes – toleriert.

Erst später sei ein Heer von Mitläufern aus allgemeiner Unzufriedenheit aufgesprungen. Für viele hätten sich ihre Träume erfüllt, „aber es hört sich anders an“. Auch die Proteste der Dresdener Pegida-Bewegung hätten damit bereits in der Wendezeit ihren Ursprung.

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Der profilierte Zeithistoriker Rödder betonte die glückliche Fügung diverser Umstände im Herbst 1989, die das Ende der DDR erst möglich gemacht hätten. Diese sei keineswegs zwangsläufig erfolgt. Neben dem Versprecher von Günter Schabowski am Abend des 9. Novembers 1989 habe beispielsweise auch die Entscheidung, die Züge Ausreisewilliger aus Ungarn und der Tschechoslowakei über DDR-Territorium fahren zu lassen, die Entwicklung geprägt. Anders als Lammert, der die Rolle von Russlands Staatspräsident Michail Gorbatschows, US-Präsident George Bush senior und Bundeskanzler Helmut Kohl hervorhob, erklärte Rödder, Gorbatschows Rolle werde in Deutschland stark romantisiert. Für den KP-Chef sei die Wiedervereinigung lediglich ein Kollateralschaden gewesen, um eine reformierte UdSSR zu erhalten.

Ein Teil der Vereinigungsfrustration rührt in Rödders Augen auch daher, dass die DDR-Bürgerrechtsbewegung schon früh das Heft des Handelns an die Bundesregierung verloren habe. Jedenfalls ehe sie ihre neuen Freiheiten in praktische Politik umsetzen konnte. Trotzdem, so erinnerte Lammert zum Abschluss mit einem Zitat von Bürgerrechtler Wolf Biermann gehe es den Deutschen heute insgesamt besser als jemals zuvor.

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