Kommentar Plagiatsvorwürfe gegen Annette Schavan - Summa cum Skepsis

Freundschaft oder Machtoption. Was das alles mit Annette Schavan und ihrem Doktortitel zu tun hat? Sehr viel. Womöglich muss am Ende Bundeskanzlerin Angela Merkel entscheiden, ob ihr die politische Freundschaft mit der Bundesministerin für Bildung und Forschung wichtiger als die Machtoption ist.

Diese Option ist im Wahljahr nicht ganz unwichtig, weil die SPD- und Grün-geführten Länder bald eine Gestaltungsmehrheit im Bundesrat haben werden, weil Bildung vor allem Ländersache ist und weil die SPD angekündigt hat, Bildung zu einem ihrer zentralen Wahlkampfthemen zu machen.

Eine Bundesbildungsministerin, die in entscheidenden Monaten angezählt durchgeschleppt werden müsste, könnte Merkel zwar grundsätzlich halten. Aber zu einem hohen politischen Preis. Doch erst einmal steht Doktor Schavan im Feuer der wissenschaftlichen Debatte über das, was sie bei einer Dissertation, die sie wohlgemerkt vor 33 (!) Jahren verfasst und eingereicht hat, bis zum heutigen Tag hätte dürfen müssen und was nicht.

Der Fall Schavan ist anders als der (tiefe) Fall des Karl-Theodor zu Guttenberg, der in großem Stil aus anderen wissenschaftlichen Arbeiten abgeschrieben und dies als eigenen Erkenntnisgewinn verkauft hat. Doch der CDU-Politikerin ist es wesensfremd, Politik zum Happening zu erheben. Sie arbeitet ohne jeden Glamourfaktor.

Unauffällig, solide und mit einem Faible für wissenschaftliche Leuchttürme: die Förderung von Exzellenzuniversitäten. Doch Uni und Fakultätsrat wollen jetzt endlich Klarheit - im Namen der Wissenschaft. Schavans Doktorarbeit muss nach mehr als 30 Jahren durch den Plagiats-TÜV. Ein offizielles Verfahren, das über die Aberkennung des Doktortitels entscheidet, wird eingeleitet.

Die Eröffnung dieses Verfahrens bedeutet dabei noch nicht den Verlust der Doktorwürde, aber der Druck auf Schavan wächst. Zitieren, aber sauber und mit ordentlichem Quellenverweis, das ist nicht nur in Ordnung. Es gehört zur wissenschaftlichen Arbeit. Seitenweises Abschreiben oder wortgleiches Kopieren aus Fremdtexten, das verstößt gegen jeden wissenschaftlichen Anspruch.

[kein Linktext vorhanden]Guttenberg und andere haben diesen Anspruch nicht nur nicht erfüllt, sie haben ihn hämisch mit Füßen getreten. Aus einem scheinbar stolzen "summa cum laude" wird so ein "summa cum Schmach".

Was das lehrt? Antrieb für das Erlangen der Doktorwürde sollte das ehrliche Streben nach wissenschaftlicher Neu- und Mehrerkenntnis sein, etwas also, von dem die Wissenschaft profitiert. Und weniger der erhoffte Einkommens- und gesellschaftliche Prestigegewinn. Eine Bundesbildungsministerin mit Doktortitel, das macht sich gut. Zurück bleibt: "summa cum Skepsis".

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