Sitz im UN-Sicherheitsrat: Halbzeit für Deutschland

Seit langem schon gehört es zu den wichtigsten Zielen deutscher Außenpolitik, einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu erlangen.

Anfang 2011 hatte Deutschland für zwei Jahre auf einem nicht-permanenten Sitz Platz genommen, was vielfach als Testlauf gesehen wurde und wird - für Deutschland und, aus deutscher Sicht, auch für den Sicherheitsrat.

Zur Halbzeit fällt die Bilanz nüchtern aus: 1. Das Gremium bleibt ein verkrustetes Gebilde, ein Anachronismus, der die tatsächlichen politisch-globalen Machtverhältnisse nicht widerspiegelt und dort, wo sie aus dem Ruder laufen, auch nicht korrigieren kann. 2. Deutschland wird einen ständigen Sitz wohl nie erlangen und kann, nicht zuletzt auch wegen Punkt 1, eigentlich gut darauf verzichten.

Mit Abstand betrachtet, genießt Deutschland in der internationalen Diplomatie einen hervorragenden Ruf. Es gehört zu den großzügigsten UN-Beitragszahlern und engagiertesten Entwicklungshelfern. Es wird als kooperativ und zuverlässig wahrgenommen. Seine meist unaufgeregten, eher rational-pragmatischen Einlassungen heben sich wohltuend vom nationalistisch geprägten Gehabe vieler anderer Länder ab.

In dieser sehr sachbetonten, zurückhaltenden Arbeitsweise steckt aber zugleich der Kern ein größeren Problems. Deutschland hinterlässt immer wieder den Eindruck, gar nicht in der ersten Reihe der Weltpolitik stehen zu wollen. Worin manche falsche Bescheidenheit erkennen, sehen andere eine eher feige Haltung: Wann immer es heiß wird, halten sich die Deutschen vornehm zurück und lassen andere die Drecksarbeit machen, heißt es.

Es ist keine Frage, dass sich dieser Eindruck durch das deutsche Abstimmungsverhalten in der Libyen-Krise leider massiv verstärkt hat. Sich mit China und Russland gegen die westlichen Verbündeten zu stellen, war ein unverzeihlicher Fehler, der noch lange wirken und die UN-Schlussbilanz Deutschlands vermasseln wird.

Es spricht aber auch noch etwas Anderes gegen einen ständigen Sitz Deutschlands: Während Europa mit Großbritannien und Frankreich im Sicherheitsrat bereits überproportional vertreten ist, fehlen massiv aufstrebende Riesen-Nationen wie Brasilien und Indien. Deren Anspruch lässt sich weit besser begründen. Sinnvoll wäre sicher ein gemeinsamer EU-Sitz; das allerdings werden wiederum London und Paris zu verhindern wissen, die vom Kuchen nichts abgeben wollen.

Am Ende blockieren sich alle gemeinsam, nichts ändert sich. Russen und Chinesen werden auch künftig, aufgrund nationaler Interessen, menschenverachtende Regime wie in Damaskus schützen; und die USA halten ihre Hand über Israel und verhindern so eine legitime UN-Mitgliedschaft der Palästinenser. Wie attraktiv ist es also, in einem solchen Gremium der Egoisten ständig und mit Veto-Recht ausgestattet zu sitzen? Was bringt das außer (zweifelhaftem) Ruhm und Prestige?

So oder so spielt Deutschland im oberen Drittel der Weltliga mit. Das resultiert aus seiner Wirtschaftsmacht, seiner relativ großen innenpolitischen Stabilität und seiner zentralen Position und Rolle in Europa. Mit Angela Merkel stellt Deutschland eine international hoch angesehene Regierungschefin. Ihr Wort hat Gewicht. Das alleine zählt.

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