Ballsaal in Bonn Das blaue Theaterwunder

Bonn · Manche halten mit guten Gründen den Ballsaal für den schönsten Theaterort der Stadt. 1993 zog das in den 1980er Jahren gegründete "Jubiläumsensemble" (benannt nach seiner ersten Produktion: "Jubiläum" von George Tabori) in den lange leer stehenden ehemaligen Tanzsaal an der Endenicher Frongasse. Der variable blaue Raum wurde die Heimat des von Frank Heuel geleiteten "Fringe Ensembles" und vor gut einem Jahrzehnt auch die der Company "CocoonDance". Im einzigen freien Bonner Theaterhaus entstand ein produktiver Experimentierplatz für neue Dramatik, Tanz, Musik und interdisziplinäre szenische Formen.

Die nicht immer einfachen "Wirklichkeitstests" überstand das Theater im Ballsaal seitdem bravourös und wurde 2003 vom Land als eines der sechs herausragenden Häuser der freien Kultur in NRW anerkannt.

Zahlreiche Auszeichnungen, internationale Einladungen und Kooperationen prägen das überregionale Bild der Ballsaal-Arbeit ebenso wie die diversen Festivals, die hier initiiert wurden oder regelmäßig Station machen. Die beiden das Programm tragenden Gruppen agieren künstlerisch selbstständig mit einer separaten gemeinsamen Geschäftsführung und haben damit ein durchaus zukunftsweisendes Modell entwickelt. In das Fest zum 20-jährigen Bestehen des Theaters im Ballsaal mischt sich dennoch Trauer: Am 25. Oktober starb nach langer Krankheit wenige Wochen vor seinem 50. Geburtstag Jörg Tewes, der ein Jahrzehnt lang als Geschäftsführer umsichtig den Ballsaal über alle finanziellen Klippen steuerte.

Ihm ist nun der Eröffnungsabend der Jubiläumswoche am 1. November gewidmet. Es ist eine doppelte Premiere, denn bei der Uraufführung von "LooLooLoop", verfasst von dem Bonner Autor und langjährigen "Fringe-Writer" Lothar Kittstein, zeigen Fringe-Ensemble und CocoonDance zum ersten Mal ein gemeinsam erarbeitetes Stück. Ein Ehepaar feiert seinen Hochzeitstag. Alles scheint wie gewohnt, doch in das Jubiläum schleicht sich ein Albtraum: die ewige Wiederkehr des Immergleichen. Viel schwarzer Humor mischt sich in die Choreografie und Regie von Rafaele Giovanola und Frank Heuel. Weitere Aufführungen gibt es am 2. und 3. 11. jeweils um 20 Uhr.

Am 5. und 6. 11. trifft in der Reihe "Grenzüberschreitungen" der isländische Dichter Erikur Örn Norddahl die Schweizer Schauspielerin und virtuose Stimmkünstlerin Bettina Marugg vom Fringe-Ensemble. Beide sind für ihre eigenwilligen Performances bekannt und arbeiten zum ersten Mal zusammen. Zum 100. und letzten Mal in Bonn zeigt CocoonDance am 7. 11. das intensive Duett "Lovers and Other Strangers".

Die Salzburger Company "cieLaroque" unter der Leitung von Helene Weinzierl ist seit 2005 regelmäßig im Ballsaal zu erleben. Am 8. 11. präsentiert sie "DemoCrazy - How to Peel an Onion Without Crying", eine tänzerische Untersuchung der Entscheidungsfreiheit in der heutigen Spaßgesellschaft. Lachen ist entschieden erlaubt bei der witzigen choreographischen Recherche, bevor es am 9. 11. in die Endrunde geht unter dem Motto "Blau ist nicht gleich blau". Ab 20 Uhr wird nach einem Grußwort von OB Jürgen Nimptsch mit vielen Überraschungen gefeiert auf der Bühne, wo romantisch blaue Blumen ebenso gepflegt werden wie wunderliche Blaupausen der globalisierten Welt und mutig verrückte Denkausflüge in ein anderes Blau.

Garantiert bleibt hier weiterhin die besondere Nähe zwischen den Kunstschaffenden und dem Publikum, das eingeladen ist zur aktiven Teilnahme an kreativen Utopie-Erkundungen. Mondän ist dieser Ballsaal zweifellos nicht, sondern ein kostbar traumblauer Teil der Bonner Urbanität.

Kartenbestellungen für alle Jubiläumsvorstellungen unter Tel. 0228-797901; weitere Infos unter www.theater-im-ballsaal.de

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