Festival Rockaue am 9. Juli in Bonn Zwölf Stunden Livemusik auf fünf Bühnen

Bonn · Am 9. Juli präsentiert das Festival Rockaue 50 Bands und zahlreiche Freizeitangebote in der Rheinaue. Zu hören sind Culcha Candela, die Killerpilze und viele weitere Künstler.

Festival Rockaue am 9. Juli in Bonn: Zwölf Stunden Livemusik auf fünf Bühnen
Foto: Rockaue

Sie ist dauernd auf Achse, hat viel um die Ohren und nicht ganz so viel Zeit. Wann könnte man sich treffen, und vor allem wo? Maria Hülsmann schlägt die alte Tapetenfabrik in Beuel vor, die als Kultur- und Gewerbepark den unterschiedlichsten Branchen eine Heimat gibt. Sportfabrik, Tonstudio, Klavierhaus, Tanzschule. Auch die Popfarm residiert hier, die Schule für Rock- und Pop-Musik. Dazu passt das denkmalgeschützte Foyer: Es stammt aus der Zeit, als der Rock ’n‘ Roll erfunden wurde. „Das inspiriert, in der Tat“, sagt Frau Hülsmann.

Sie sitzt in ihrem Unterrichtsraum, umgeben von schönen Instrumenten. Hier macht Hülsmann den Nachwuchs fit an E- und Akustikgitarre. „In der Popfarm unterrichten vorrangig Lehrer, die aktiv in die Musikszene eingebunden sind – als Musiker, Techniker, Promoter oder Veranstalter.“ Was voll und ganz auch auf diese Musikpädagogin zutrifft: Maria Hülsmann führt mit ihrem Kollegen Daniel Ganser die Geschäfte des Bonner Festivals Rockaue.

Am 9. Juli geht die Rockaue auf dem Gelände der Rheinaue in die zweite Runde. Den Praxistest hat das neue Festival im Juli vergangenen Jahres mit Bravour bestanden. 20 000 Besucher feierten die Premiere. Und somit ein Konzept, das im Kern auf die maximale Abdeckung der unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen setzt – bei minimalen Kosten vor allem für die Festivalbesucher. Zwölf Stunden Livemusik auf fünf Bühnen für 14, 90 Euro, das ist ein Wort.

Die Macher gehen in diesem Sommer mit der sogenannten Subtown in die nächste Charmeoffensive. Dabei erhält die Bonner Subkultur einen eigenen Bereich: DJs legen Weltmusik auf, Sportler toben sich in der Halfpipe aus, Künstler sprühen Graffiti um die Wette, auf einem Fashion-Festival zeigen Kreative aus der Region ihre Entwürfe. Um regionale Bodenhaftung geht es auch auf der Local Stage, dort spielen ausnahmslos hiesige Bands wie Karlsson, Geist, Dreimillionen oder die arrivierten Foggy Mountain Rockers.

Vielfalt auf drei Bühnen

Was ist populäre Musik? Was Rock, was Pop, und was liegt dazwischen? Die Vielfalt kennt keine Grenzen und lässt sich mit viel Fantasie sogar durch drei teilen. Die Rockaue bündelt die Hauptströmungen auf drei Bühnen, ohne linientreue Wagenburgen zu errichten. Auf der Main Stage präsentiert man Musik mit großer Reichweite. Die Verpflichtung der Berliner Gute-Laune-Meister von Culcha Candela jedenfalls ist der „Hamma“. Zitat aus dem Hit: „Bist Miss Sweety Cutie, hast ’nen dicken Booty / Ich führ dich aus, lad dich ein, nehm dich mit zu Mutti“.

In der Hamburger Band Tonbandgerät geben die Schwestern Isa und Sophia Poppensieker den Ton an. Und Philipp Dittberner schwebt, wie mittlerweile ganz Deutschland weiß, nur noch auf „Wolke 4“, weil er auf Wolke sieben schon mal war und dann zu tief gefallen ist.

Auf der Rock’n Heavy Stage, die vom Geschäftsführer-Duo Hülsmann und Ganser betreut wird, geht es etwas härter zur Sache. Das Zauberwort heißt „Core“, diese Spielart gibt es von „Metal“ bis „Hard“. Die sechs Burschen von Eskimo Callboy mischen noch etwas Techno unter. Das kann nicht jeder, der aus Castrop-Rauxel kommt.

Und während andere nach England zurückfahren wollen oder müssen, nimmt die Band Heart Of A Coward den Weg von Brighton nach Bonn auf sich, um frisches Material aus der Albumproduktion „Deliverance“ unter Live-Bedingungen zu testen. Auch ganz schön heavy sind Monuments, World & Dreams und Sleepers. Auf der Electronic Stage dreht der Berliner Plattenleger Marius Maier alias Re.You seine Runden. Moritz Guhling aus Dortmund vertritt das Genre Deep House. Über die kürzeste Anreise freuen sich die DJs North New, ScaryHairy und Sepp Linge vom Bonner Trio Pawnda.

In gewisser Hinsicht schließt die Rockaue eine Lücke, die das Festival Rheinkultur (1983-2011) hinterlassen hat. „Es ist ein Festival für alle“, sagt die frühere Rheinkultur-Mitarbeiterin Hülsmann und beschreibt die Philosophie: „Wir bauen eine Musikstadt für einen Tag – jeder geht in sein Viertel, hört Musik, treibt Sport, schaut sich Kunst an.“

Man könnte jetzt den Schlusspunkt setzen und dem Unternehmen Rockaue gutes Wetter wünschen. Doch ein Blick hinter die Kulissen lohnt sich, denn er macht Zusammenhänge sichtbar, die der Kunde Konzertbesucher nur mittelbar wahrnimmt, wenn überhaupt. Das Festival funktioniert wie ein kleines Logistikunternehmen, getrieben und gesteuert über alle gängigen Kanäle zeitgemäßer Kommunikation. „Die Organisation und Programmgestaltung läuft im Wesentlichen online oder telefonisch ab“, sagt Maria Hülsmann.

Das hängt mit dem Umstand zusammen, dass die Festivalmacher hauptberuflich anderen Tätigkeiten nachgehen. Geschäftsführerkollege Daniel Ganser etwa organisiert Veranstaltungen beim WCCB. Julian Reininger, der mit seinem Team die Main Stage betreut, ist Gründer des beliebten Festivals Green Juice. Vor einigen Tagen hat der 22-Jährige mit Bestnoten seine Abschlussprüfung zum Veranstaltungskaufmann abgelegt. Die Subtown wiederum wird von den Kulturorganisationen Subculture e.V., Taxi MunDJal Musix und Beton für Bonn organisiert.

Und um die Electronic Stage kümmert sich die junge Bonner Agentur Rhein Events, die Ende des Monats (29./30. 7.) in der Rheinaue auch das Panama Festival mit Schwerpunkt Electro & Techno ausrichtet .

Bei den Vorbereitungen spiele die physische Anwesenheit der insgesamt neun Gesellschafter keine entscheidende Rolle, sagt Hülsmann. „Schneller und gehaltvoller Mailverkehr“ sei nicht minder effizient. Zudem tauscht man sich in geschlossenen Facebook-Gruppen aus. Und Formulare, etwa Verträge mit den Künstlern, lassen sich locker als PDF verschicken. „Die Rockaue ist sozusagen ein Festival aus der Cloud“, erklärt Hülsmann.

Diese Produktionsform macht ein festes Büro fast überflüssig. „Im Brückenforum steht ein Schreibtisch, den wir nutzen können, das ist eine Art Homebase“. Zumal der dortige Geschäftsführer Jürgen Harder zu den Gründungsvätern der Rockaue zählt und ebenfalls als potenter Gesellschafter (Rhein in Flammen etc.) mitwirkt.

Mit diesem filigranen Netzwerk setzt die Bonner Musikszene neue Maßstäbe. Jeder zieht seine Fäden, bringt Know-how ein, packt an. Und fertig ist ein Festivalkonzept, das in diesem Fall rund 30 Sponsoren überzeugt hat. Was den kleinen Preis erklärt. Auch schön: Die Mitbewerber der Bonner Veranstalterszene empfinden die Rockaue nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung. Deshalb hängen Plakate der Rockaue beispielsweise auch auf dem Kunst!Rasen.

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