Chaos an Flughäfen Diese Rechte haben Fluggäste bei annullierten oder verspäteten Flügen

Bonn · Lange Warteschlangen und Flugausfälle: Der Urlaubsbeginn war nicht für alle Reisende perfekt. Wenn der Flug ausfällt oder sich verspätet, hoffen Fluggäste oft auf eine Entschädigung. Welche Rechte haben sie?

Die Warteschlangen sind zurzeit lang an deutschen Flughäfen: Fluggäste haben bei Verspätungen oft Anspruch auf eine Erstattung.

Die Warteschlangen sind zurzeit lang an deutschen Flughäfen: Fluggäste haben bei Verspätungen oft Anspruch auf eine Erstattung.

Foto: dpa/Thomas Banneyer

Das Chaos an deutschen Flughäfen hat in den vergangenen Wochen viele Fluggäste verärgert. Nicht nur lange Wartezeiten und unauffindbares Gepäck verstimmen die Reisenden – einige müssen sich damit abfinden, dass ihr Flug ausfällt. Betroffene wissen dann häufig nicht, welche Ansprüche sie geltend machen können. Der GA fasst die Rechte der Reisenden zusammen.

Laut der Organisation für Fluggastrechte „AirHelp“ haben Verbraucherinnen und Verbraucher, die aufgrund des Personalmangels an deutschen Flughäfen von Annullierungen oder Verspätungen betroffen sind, Anspruch auf Entschädigung. Bei einer Verspätung gilt der Anspruch erst, wenn Betroffene mehr als drei Stunden später als geplant ihr Reiseziel erreichen.

Die Höhe der Zahlung berechnet sich laut AirHelp aus der Länge der Flugstrecke. Die Verspätungsdauer am Ankunftsort sowie der Grund für den ausgefallenen oder verspäteten Flug sind ebenfalls von Bedeutung. „Außergewöhnliche Umstände wie Unwetter oder medizinische Notfälle können bewirken, dass die ausführende Airline von der Kompensationspflicht befreit wird“, erklärt AirHelp in einer Pressemitteilung. Angekündigte und unangekündigte Streiks bei den Airlines sind nach Angaben der Organisation davon ausgeschlossen. Passagiere können ihre Rechte auch rückwirkend bis zu drei Jahre nach ihrem Flugtermin durchsetzen.

Die Verbraucherzentrale informiert über die verschiedenen Ansprüche:

Verspätungen

Wenn die Ankunft am Endziel um mindestens drei Stunden verzögert wird:

  • Flugstrecke unter 1500 Kilometer: 250 Euro Entschädigung
  • Flugstrecke über 1500 Kilometer innerhalb der EU oder 1500 bis 3500 Kilometer: 400 Euro Entschädigung (Verspätung maximal drei Stunden: 200 Euro)
  • Flugstrecke über 3500 Kilometer: 600 Euro Entschädigung (Verspätung maximal vier Stunden: 300 Euro).

Der Anspruch besteht nicht, wenn die Fluggesellschaft außergewöhnliche und unvermeidbare Umstände nachweist. Unter bestimmten Bedingungen muss die Fluggesellschaft kostenlose Betreuungsleistungen wie Essen und Getränke und die Möglichkeit, zu telefonieren, anbieten.

Annullierungen

  • Flugstrecke unter 1500 Kilometer: 250 Euro Entschädigung
  • Flugstrecke über 1500 Kilometer innerhalb der EU oder 1500 bis 3500 Kilometer: 400 Euro Entschädigung (Wenn die Fluggäste weniger als sieben Tage vor dem Abflugtermin informiert wurden und die Verspätung mehr als zwei, maximal drei Stunden beträgt: 200 Euro)
  • Flugstrecke über 3500 Kilometer: 600 Euro Entschädigung (Wenn die Fluggäste weniger als sieben Tage vor dem Abflugtermin informiert wurden und die Verspätung mehr als zwei, maximal vier Stunden beträgt: 300 Euro).

Betroffene haben keinen Anspruch, wenn die Airline sie mindestens 14 Tage vor dem Abflugtermin über die Annullierung informiert hat. Die Fluggesellschaften können außerdem sieben bis 13 Tage vor Abflug einen Alternativflug anbieten, der maximal zwei Stunden früher als geplant abhebt und maximal vier Stunden später ankommt. Wenn sie weniger als sieben Tage vor Abflug einen Alternativflug ermöglichen, der maximal eine Stunde früher losfliegt und höchsten zwei Stunden später ankommt, besteht ebenfalls kein Anspruch auf Entschädigung.

Welche Ansprüche habe ich, wenn ich meinen Flug wegen einer Warteschlange an den Sicherheitskontrollen verpasse?

Die Verbraucherzentrale weist darauf hin, dass als grundsätzliche Voraussetzung für Ansprüche in diesem Fall gilt, dass Passagiere sich rechtzeitig an der Sicherheitskontrolle eingefunden haben. „Was dabei als ‚rechtzeitig‘ gilt, lässt sich jedoch nicht generell definieren und ist im Zweifel eine Einzelfallentscheidung“, informiert die Verbraucherzentrale auf ihrer Webseite. In einem konkreten Fall vor Gericht sei ein Eintreffen 90 Minuten vor Abflugzeit als ausreichend bewertet worden. Fluggäste sollten die Empfehlungen beachten, die der Flughafenbetreiber und die Fluggesellschaft zurzeit abgeben.

Wer rechtzeitig an der Sicherheitskontrolle eingetroffen ist und wegen einer Verzögerung der Kontrolle seinen Flug verpasst, kann eine Erstattung der daraus entstandenen Kosten erhalten. Diese kann zum Beispiel ein neu gekauftes Flugticket, Getränke und Mahlzeiten und in manchen Fällen auch eine Hotelübernachtung umfassen. Betroffene können unter Umständen auch ihren Anspruch auf die Erstattung des ursprünglichen Flugpreises geltend machen. Die Verbraucherzentrale empfiehlt, sich in einem ersten Schritt an die Bundespolizeidirektion zu wenden, da diese für die Sicherheitskontrollen an Flughäfen zuständig ist.

Was kann ich vor Ort tun?

Fragen sollten Betroffene laut Verbraucherzentrale an das Bodenpersonal richten. Sollte es keinen Ansprechpartner geben, ist es sinnvoll, alle Informationen zu dokumentieren: planmäßige und tatsächliche Abflugs- und Ankunftszeiten, verpasster Flug, Verhalten der Fluggesellschaft. Die Verbraucherzentrale rät, dazu zum Beispiel die Anzeigetafeln des Flughafens zu fotografieren. Die Dokumentation sollte nach Möglichkeit schriftlich erfolgen und von Zeugen bestätigt werden. Quittungen wie Hotel- und Taxirechnungen sollten gesammelt werden. Pauschalreisenden empfiehlt die Verbraucherzentrale, ihren Veranstalter unverzüglich über die Verspätung oder den verpassten Flug zu informieren.

„Es ist wichtig, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Rechte kennen und sich nicht abwimmeln lassen, sondern hartnäckig bleiben“, sagt Jan Philipp Stupnanek, Jurist und Reiserechtsexperte bei der Verbraucherzentrale NRW. „Dass viele Airlines mit Verzögerungen taktieren oder Hürden für die Erstattungs- und Entschädigungsansprüche aufbauen, ist nicht hinnehmbar. Wir haben die Rechtsverstöße in der Branche genau im Blick und werden dagegen auch weiterhin juristisch vorgehen.“

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