Viele Studenten - Wenige Hochschullehrer Wenn der Professor keine Zeit hat

BONN · Die große Entfremdung: An deutschen Universitäten und ihnen gleichgestellten Hochschulen müssen immer mehr Studenten betreut werden, die Zahl der Professoren steigt aber nicht entsprechend an. So kommt es, dass der Trend dieses sich stetig verschlechternden Betreuungsverhältnisses seit Jahren anhält.

 Eher die Regel als die Ausnahme: Ein voller Hörsaal bedeutet auch sehr viel Arbeit für die Lehrenden, etwa bei Prüfungen.

Eher die Regel als die Ausnahme: Ein voller Hörsaal bedeutet auch sehr viel Arbeit für die Lehrenden, etwa bei Prüfungen.

Foto: dpa

Die Zeitschrift "Forschung & Lehre" hat nun aktuelle Zahlen für das Jahr 2014 vorgelegt, die das Statistische Bundesamt ermittelt hat. Demnach kamen auf einen einzigen Professor im Schnitt 66 Studierende. 2013 waren es noch 65 gewesen, 2004 lediglich 60. Die Anzahl der Lehrenden sei im Jahr 2014 zwar um 193 gegenüber dem Vorjahr gestiegen, berichtet die Zeitschrift. Jedoch seien auch 31 390 Studenten mehr an Hochschulen eingeschrieben gewesen als im Vergleichszeitraum 2013. Das entspricht einem Verhältnis von 1 zu knapp 163, was den Trend nur bestätigt.

Gegenüber dem Jahr 2004 sind fast 365.000 Studierende mehr an deutschen Universitäten eingeschrieben. Über zehn Jahre gesehen sind den Angaben zufolge zwar auch fast 3000 Professuren hinzugekommen, allerdings sind ein erheblicher Teil davon Juniorprofessuren. Während es 2004 gerade einmal 411 Juniorprofessuren gab, waren es im vergangenen Jahr bereits mehr als 1600.

An der Uni Bonn ist das Betreuungsverhältnis (gemessen am Wintersemester 2014/15) etwas besser als im Bundesdurchschnitt: 62 Studenten kamen zu diesem Zeitpunkt auf einen Professor, teilt Pressesprecher Andreas Archut mit. "Die Zahl an sich sagt aber nichts aus, denn auch andere Mitarbeiter tragen zur Lehre bei", ergänzt Archut.

Er sieht das Ergebnis kritisch. So sei das zahlenmäßige Verhältnis von Profs und Studierenden etwa in Fächern wie Astrophysik "paradiesisch". Zudem komme hinzu, dass in einem Fach wie der Evangelischen Theologie eine Auslastung von rund 200 Prozent vorliege. Tatsächlich studierten dort aber deutlich weniger Menschen das Fach und sehr viel mehr die Bus- und Bahnfahrpläne, weil sie nur eingeschrieben seien, um das NRW-Ticket nutzen zu können, das zum kostenlosen Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln berechtigt.

"Insgesamt liegen wir an der Uni Bonn bei einer Auslastung von 101 Prozent - und damit genau da, wo wir nach dem Willen des Gesetzgebers auch sein sollen", sagt Archut. Das im Vergleich zum Bundesdurchschnitt etwas bessere Betreuungsverhältnis liege "in der Schwankungsbreite". "Es gibt einfach ein paar mehr Ausreißer nach unten als nach oben." So gleicht etwa die Auslastung von 18 Prozent bei der Astronomie die 118 Prozent der Landwirte wieder aus. "Allerdings ist das alles eine Milchmädchenrechnung", sagt Archut.

Ganz anders ist die Situation an der privaten Alanus Hochschule in Alfter. Im Schnitt betreut ein Professor hier 23 Studierende, teilt Pressesprecherin Julia Wedel mit. "In den künstlerischen Fächern gibt es auch Klassen mit zwölf Teilnehmern, in Architektur und BWL liegt der Betreuungsschlüssel zwischen 25 und 35", sagt Wedel. Das Niveau sei in den vergangenen Jahren konstant geblieben, da das Mehr an Studierenden durch zusätzliche Professoren ausgeglichen wurde. Wedel räumt aber ein, dass große Hochschulen vor ganz anderen Herausforderungen stünden. Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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