Gesamtschule für Rheinbach - ja oder nein?

Euphorie sieht anders aus. Mit gemischten Gefühlen sehen die Leiter der weiterführenden Schulen in Rheinbach die mögliche Elternumfrage, bei der der Bedarf für die Gründung einer Gesamtschule in der Stadt abgeklärt werden soll.

 Auch die Hauptschule Rheinbach spielt bei den Diskussionen eine Rolle.

Auch die Hauptschule Rheinbach spielt bei den Diskussionen eine Rolle.

Foto: Henry

Eine Gesamtschule passe nicht in die Rheinbacher Schullandschaft - darin sind sich Albin Schmid (städtisches Gymnasium), Hans Rieck (Sankt- Joseph-Gymnasium), Realschulleiter Rüdiger Steffke und dessen Vorgängerin Hedwig Schmitt-Wojcik sowie Adolf Füllenbach (Hauptschule) einig.

Der Arbeitskreis Schulstruktur hat dem Schulausschuss vergangene Woche empfohlen, eine Umfrage unter Eltern heutiger Drittklässler durchzuführen.

Der Ausschuss entscheidet darüber im Herbst. So soll die Stadt herausfinden, ob Interesse an einer Gesamtschule besteht. Die Empfehlung an den Ausschuss sei ein "klares Votum" gewesen, sagt Bürgermeister Stefan Raetz. Die Gesamtschule sei der "Plan A".

Service Die CDU lädt für Mittwoch, 20. Juli, 19 Uhr, zu einer Diskussions- und Informationsveranstaltung in den Himmeroder Hof ein. Didaktik-Professor Hans-Peter Kein spricht zum Thema "Quo vadis, Bildungsstandort Deutschland?", CDU-Fraktionschef Bernd Beißel zum Thema "Bildungsstadt Rheinbach 2030".Doch offenbar wird die Empfehlung des Arbeitskreises unterschiedlich interpretiert. Dass man die Elternumfrage billige, heiße noch lange nicht, dass man auch mit der Gründung einer Gesamtschule einverstanden sei, sagt etwa Alfred Sprich, stellvertretender Leiter des städtischen Gymnasiums.

Dessen Leiter Albin Schmid warnt davor, mit der Gesamtschule in Rheinbach eine dritte Oberstufe zu installieren - neben dem städtischen Gymnasium und der Kooperation zwischen dem Vinzenz-Pallotti-Kolleg und dem Sankt-Josef-Gymnasium. "Das geben die Schülerzahlen nicht her", so Schmid. Oberstufen-Jahrgänge mit 140 Schülern - diese Größenordnung sei an seinem Gymnasium üblich.

"Wenn es drei Oberstufensytseme in der Stadt gibt, wären es weit weniger Schüler. Dann wäre nur noch ein eingeschränktes Angebot an Leistungskursen möglich." Ähnliche Befürchtungen hat Hans Rieck vom erzbischöflichen Sankt-Joseph-Gymnasium. "Man könnte das eigene Kursangebot kaum aufrecht erhalten", sagt er. "Da wären dann Kooperationen nötig."

Die ehemalige Realschulleiterin Hedwig Schmitt-Wojzik treibt eine ganz andere Frage um: Wer sich bei der Elternumfrage für eine Gesamtschule ausspreche, der entscheide sich gleichzeitig gegen den Fortbestand von Haupt- und Realschule. "Wenn die Gesamtschule kommt, ist das eine völlig neue Schule", sagt sie. "Haupt- und Realschule laufen dann schrittweise aus und sind nach sechs Jahren ganz verschwunden. Das ist vielen Eltern nicht bewusst." Das müsse die Stadt in ihrer Umfrage deutlich machen.

Die Tomburg-Realschule will Realschule bleiben: "Unsere Schulkonferenz hat sich für den Erhalt ausgesprochen", berichtet Leiter Rüdiger Steffke, der mit der Hauptschule eine gemeinsame Strategie entwickelt hat. Beide Schulen wollen ihre Kooperation vertiefen - zum Beispiel in den Klassen fünf und sechs. Auch gemeinsame Kunst-, Musik- und Sport-Projekte sind im Gespräch.

Nach Vorstellung von Steffke und Füllenbach würden die Schulen auf lange Sicht zusammenwachsen. Steffke: "Die Organisationsform ist zweitrangig, es geht um die Zusammenarbeit in der Sache." So blieben die Strukturen überschaubar, ergänzt Füllenbach, der sich im Arbeitskreis gegen die Elternumfrage ausgesprochen hat. "Er braucht keiner glauben, dass eine Gesamtschule eine kuschelige kleine Schule ist. Das wird ein Riesenladen. Da gehen vor allem schwächere Schüler unter, die an einer Hauptschule besser aufgehoben wären."

Bürgermeister Raetz hat wenig Verständnis für das Rumoren in den Rektorenzimmern: "Wer die Lippen spitzt, der muss auch pfeifen", sagt er. "Diejenigen, die in der Arbeitsgruppe mit der Elternumfrage einverstanden waren, müssen sich auch der Konsequenzen bewusst sein." Sollte sich bei der Elternumfrage Bedarf herausstellen, werde die Stadt die Gründung einer Gesamtschule weiter verfolgen.

SPD-Chef Folke große Deters wirft den Schulleitern Besitzstandsdenken vor. "Der Schullandschaft werden ein bisschen Bewegung und mehr Konkurrenz gut tun", sagt er.

Die Diskussion um die Schulstruktur war im vergangenen Jahr maßgeblich von der CDU angestoßen worden. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und sinkender Schülerzahlen habe die Ratsfraktion "vorausschauend Initiative ergriffen", um die Qualität des Bildungsangebots langfristig zu sichern", heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung. "Dabei soll der Elternwille verstärkt Berücksichtigung finden."

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Warum eine neue Schule?

Ausgangspunkt der Diskussion ist eine Umfrage der Stadt vom Herbst 2010, bei der Eltern von Kindergarten- und Grundschulkindern ihren favorisierten Schultyp nennen sollten. Bei 873 beantworteten Fragebögen sprachen sich die meisten für das Gymnasium aus (48 Prozent), während die Hauptschule kaum Zuspruch fand (ein Prozent).

Mit Blick auf Umfrage und Schülerzahlen entschied der Schulausschuss, die Schullandschaft umzubauen. Neben dem Gymnasium mit Abitur nach acht Jahren (G 8) soll eine neue Schule an Stelle von Haupt- und Realschule entstehen, die das Abitur nach neun Jahren (G 9) und längeres gemeinsames Lernen bietet. Das könnte neben einer Gesamtschule auch eine Gemeinschaftsschule. Diese wurde jedoch verworfen, da die Landesregierung dafür noch das Schulgesetzt ändern muss.

  • VoraussetzungenDer Bedarf für eine Gesamtschule ist gegeben, wenn mindestens 112 Schüleranmeldungen aus der Stadt möglich sind. Die Elternumfrage soll darüber Aufschluss geben. Entscheidend ist aber, dass die Zahl 112 in einem formalen Anmeldeverfahren tatsächlich erreicht wird. Wenn es um die Einrichtung einer Gesamtschule geht, benötigt die Stadt eine Genehmigung der Bezirksregierung Köln.
  • SchulentwicklungDie Schülerzahlen in Rheinbach sind nach dem 2009 fortgeschriebenen Schulentwicklungsplan rückläufig. Die Hauptschule hat dieser Prognose zufolge im Schuljahr 2015/16 noch 321 Schüler (2009/10: 389), die Realschule 560 (2009/10: 586), das Städt. Gymnasium 1 028 (2009/10: 1 092), das Sankt-Joseph-Gymnasium 869 (2009/10: 978), das Vinzenz-Pallotti-Kolleg 676 (2009/10: 777).
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