Ludgera Decking: Die Eiserne Lady der Müll-Branche

RSAG-Chefin hat den finanziellen Schaden repariert, den Trienekens und Meys angerichtet hatten

Als Ludgera Decking am 1. April 2003 an die Spitze der Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgsellschaft (RSAG) rückte, galt die heute 48-jährige Ingenieurin als Verlegenheitslösung in der schwierigen Zeit der Müllskandale.

Das hat sich geändert: Selbst alte Hasen aus der Kommunalpolitik sprechen heute mit Respekt von der "Eisernen Lady der Müll-Branche", in der sie als Frau eine Ausnahmeerscheinung ist. Mit Hartnäckigkeit ist es ihr gelungen, insgesamt 30 Millionen Euro Schadenersatz für die RSAG an Land zu ziehen. Mit der Geschäftsführerin sprachen Sylvia Binner und Klaus Elsen.

GA: Was war es für ein Gefühl, zu erfahren, dass nun auch der frühere Müll-Multi Hellmut Trienekens 19 Millionen Euro an die RSAG zahlen wird?

Ludgera Decking: Das muss man vom Persönlichen lösen. Wir haben hier einfach unseren Job gemacht. Und nun sind wir zwar froh, dass das Thema erledigt ist, aber ich verspüre persönlich keinen Funken von Triumphgefühl. Allenfalls Erleichterung, weil Ballast abgefallen ist. Die vielen Gespräche und harten Verhandlungen waren ja nicht gerade Vergnügungssteuerpflichtig.

GA: In sechs Jahren als RSAG-Chefin haben sie elf Schadenersatzverfahren angestrengt, unter anderem gegen Trienekens, aber auch gegen ihren Vorgänger, Karl-Heinz Meys. Im Gegenzug zogen Unternehmen gegen die RSAG vor Gericht, denen Sie unter Meys zustande gekommene Verträge kündigten. Braucht man da dicke Nerven?

Decking: Ja, mit Sicherheit und auch sehr viel Durchhaltevermögen. Was übrigens nur möglich war, weil wir über den gesamten Zeitraum hinweg die notwendige Rückendeckung hatten - im Aufsichtsrat, im Kreishaus und bei den Fraktionen.

GA: Wie ist es Ihnen und Ihren Mitstreitern wie dem Aufsichtsratsvorsitzenden Sebastian Schuster gelungen, in dieser Vielzahl juristischer Auseinandersetzungen den Überblick zu behalten?

Decking: Am Anfang war es schwierig, diesen Überblick zu gewinnen. Einiges musste aufgearbeitet und genau unter die Lupe genommen werden. Aber als das Gerüst stand, ging es ganz gut.

GA: Was hat die RSAG als Organisation dabei gelernt, wie in Zukunft Bestechung und Mauscheleien bei der Auftragsvergabe verhindert werden können?

Decking: Wir haben viele Dinge neu eingeführt, zum Beispiel das Vier-Augen-Prinzip. Und generell auf mehr Transparenz gesetzt, was Aufträge und ihre Vergabe angeht. Wir haben den Vertrauensanwalt eingeführt und den Integritätsvertrag.

Das heißt, die ausschreibende Stelle und der Anbieter binden sich intensiver als zuvor. Die Verträge sind beinahe bindender als Gesetze, denn jeder der das unterschreibt, stimmt auch einem pauschalierten Schadensersatz zu. Man kann also aus dem Vertrag heraus klagen.

GA: Den entstandenen Schaden hat die RSAG mit 60 Millionen Euro beziffert. Rund 30 Millionen Euro sind an Schadenersatz zurückgeflossen. Die halbe Miete. Und noch weniger, weil die RSAG 7,3 Millionen Euro für Anwälte, Gerichtskosten und Sachverständige ausgegeben hat. Kann das die Gebührenzahler zufrieden stellen?

Decking: Ja, das kann und sollte es. Denn wir hatten die Verträge schon im Vorfeld des letzten Prozesses angepasst. Das bedeutet, dass wir auf diesem Weg bereits Einsparungen von mehr als 50 Millionen Euro erzielen. Die müssen Sie in die Bilanz einfließen lassen. Allerdings wird dieses Geld erst in der Zukunft eingespart, wir können also nicht, wie es manche schon gerechnet haben, so tun als hätten wir 80 Millionen zurück bekommen.

Und es gibt noch einen weiteren Gesichtspunkt: Sie wissen nie im Voraus, wie ein Gerichtsverfahren ausgeht. Wir hatten die 60 Millionen Euro Schaden berechnet. Aber ob das Gericht uns da gefolgt wäre? Und wie viel Anwaltskosten wären noch angefallen? Da war uns der Kompromiss lieber als die vage Aussicht auf eine höhere Summe.

GA: Was passiert jetzt mit dem Geld?

Decking: Es ist schon wieder weg. Wir sind unserer Verpflichtung nachgekommen und haben die 19 Millionen Euro dem Kreishaus überwiesen. Wir rechnen als RSAG ja die Leistungen der Abfallentsorgung mit dem Kreis ab und nicht mit dem Gebührenzahler. Denn die Gebühren legt ja der Kreis fest. Was nun damit geschieht, liegt bei der Kreisverwaltung und bei den politischen Gremien.

GA: Gab es ein Dankeschön?

Decking: Viele haben sich anerkennend geäußert.

GA: Was führt nach Ihrer Ansicht der Kölner Regierungspräsident Hans Peter Lindlar im Schilde, wenn er der RSAG zwar zur Hartnäckigkeit im Müll-Skandal gratuliert, aber zugleich der Privatisierung der Müllabfuhr das Wort redet

Decking: Dazu habe ich mich noch nie geäußert. Und das werde ich auch jetzt nicht tun.

GA: Hat der RP den direkten Draht zu Ihnen gesucht?

Decking: Nein.

Zur PersonLudgera Decking, geboren am 23. Juni 1961 in Zug (Schweiz), ist studierte Bau-Ingenieurin, berufsbegleitend hat sie ein Jura-Studium inklusive Erstem Staatsexamen draufgesattelt. Ihre berufliche Laufbahn hat sie beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe begonnen, bevor sie zum Kreis und später zur RSAG wechselte. Sie ist verheiratet, wandert gerne und liebt ihren Garten.

GA: Ist seine Haltung nicht gerade vor dem Hintergrund vergangener Unregelmäßigkeiten unverständlich?

Decking: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

GA: Männer haben den Müll-Skandal angerichtet. Sie als Frau zählen zu denen, die aufräumen. Sind Frauen weniger bestechlich?

Decking: Das weiß ich nicht. Fakt ist wohl, dass Korruption ein typisch männliches Delikt ist. Aber vielleicht liegt das nur daran, dass so wenige Frauen in Führungspositionen sitzen.

GA: Was sind die nächsten Herausforderungen für die RSAG?

Decking: Wir werden eine eigene Sperrmüllsortierung in unserer Anlage in Friedrich-Wilhelms-Hütte errichten, bisher sortieren wir in einer gepachteten Anlage in Neuwied. Außerdem bereiten wir die Übernahme der Restmüll-Abfuhr im linksrheinischen Kreis vor. Das wird ab 2012 geschehen.

GA: Haben die Sankt Augustiner Grund für ihre Bedenken gegen die Erhöhung der Deponie Niederpleis?

Decking: Der Bereich, den wir erhöhen wollen, liegt letztendlich nur knapp zehn Meter über dem umgebenden Gelände. Zudem ist die Erhöhung wichtig, um die Investitionen wieder herein zu holen, die wir in die Deponiebasis gesteckt haben. Der Betrieb in Niederpleis rechnet sich nur, wenn wir die Erhöhung bekommen. Das sollte man in Sankt Augustin bedenken.

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