Ermittler sicherten Akten nicht

Bonn · Das Verhalten von Jugendamt und Behörden wirft immer neue Fragen auf.

Ermittler sicherten Akten nicht
Foto: Frank Homann

Der Umgang der Behörden und Ämter mit dem gewaltsamen Tod des Pflegekindes Anna wirft immer neue Fragen auf: Warum, fragt man sich nicht nur bei Gericht, hat die zuständige Abteilung der Staatsanwaltschaft nicht direkt die Akten des Falles per Durchsuchungsbeschluss im Jugendamt Königswinter gesichert? Denn GA-Informationen zufolge klappte es mit der erbetenen Amtshilfe von Anfang an nicht.

So soll bereits nach Durchsicht der ersten gelieferten Akten aufgefallen sein, dass eine Akte fehlte. Doch das war GA-Informationen zufolge kein Grund, im Jugendamt durchsuchen zu gehen. Und selbst als bei der Staatsanwaltschaft bekannt wurde, dass im Jugendamt Akteninhalte verändert und sogar vernichtet worden waren, sah man immer noch keine Veranlassung, selbst hinzugehen und nachzusehen, ob wirklich alles ausgehändigt worden ist. Ob die Staatsanwaltschaft nun wirklich im Besitz der kompletten Unterlagen ist, scheint also fraglich.

Wirtz bricht Urlaub ab Peter Wirtz bricht seinen Skiurlaub ab und gibt am Dienstag eine Pressekonferenz "zu den jüngsten Berichterstattungen im Fall Anna sowie den Rücktrittsforderungen". Der Königswinterer Bürgermeister hatte am Montag in einem Interview gesagt, er sehe keinen Grund für einen Rücktritt, das bestätigte Pressesprecherin Hildegard Ulmen.
Bereits am Samstag hatte Wirtz Stellung zu den Vorfällen in seinem Jugendamt genommen - und war danach in den Urlaub gefahren. Die Jugendamtsmitarbeiterin, die für Anna zuständig war, soll die Akte Anna manipuliert haben, bevor sie der Staatsanwaltschaft übergeben wurde.
Sie gab an, dies auf Wunsch des Jugendamtsleiters getan zu haben. Wirtz indes sprach von einem Alleingang. (al)Fraglich ist auch, ob die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen das Bad Honnefer Jugendamt nicht voreilig einstellte angesichts der Zeugenaussagen vor Gericht. So hatten mehrere Mütter von Tageskindern berichtet, dass sie am Tag vor Annas Tod im Bad Honnefer Jugendamt geschildert hätten, wie Anna in der Pflegefamilie behandelt werde und nur zu hören bekommen: Man sei nicht zuständig, aber der Fall sei bekannt.

Eine Mutter sagte aus: Sie sei wutentbrannt schon früher zum Jugendamt gegangen, weil sie von ihrer Tochter erfahren habe, dass ihr kleiner Sohn von der Pflegemutter so gefüttert worden sei, dass er keine Luft mehr bekommen habe. Aber das Amt habe nichts unternommen. Diese Mutter war schließlich zur Polizei gegangen.

Ebenso fraglich ist es für Insider, ob die laut Bürgermeister Peter Wirtz angeblich wieder komplett rekonstruierten Akten tatsächlich wieder vollständig sind. Denn was alles vernichtet wurde, weiß nur derjenige, der vernichtet hat. Und dass die Mitarbeiterin diese von ihr selbst als Kurzschlusshandlung bezeichnete Vernichtungsaktion wirklich im Alleingang beging, wird nicht nur von Königswinterer Politikern bezweifelt.

So erklärten Verwaltungskenner dem GA, wer die Strukturen einer solchen hierarchischen Behörde kenne, wisse, dass gerade in einem solch brisanten Fall die Vorgesetzten sich sofort die Akten sicherten und die Hoheit darüber auch behielten. Schon allein deshalb, weil sie selbst als Chefs in der Verantwortung seien und auch strafrechtlich im Visier stünden. Tatsächlich wird in diesem Fall nicht nur gegen die Mitarbeiterin, sondern auch gegen Bürgermeister Peter Wirtz und Jugendamtsleiter Klaus Plate ermittelt.

Der aber, so versicherten Wirtz und Dezernent Holger Jung auf der am Samstag eilends einberufenen Pressekonferenz, habe mit der Aktenveränderung nichts zu tun. Die Mitarbeiterin hatte in einem Schreiben an Wirtz und Jung erklärt, ihr Chef habe sie angewiesen, die Akte "durchzugehen", was jugendamtsintern bedeute, sie auszudünnen.

Gegen Plate seien keine weiteren Maßnahmen nötig, so Wirtz. Die Mitarbeiterin kam mit einer Abmahnung davon.

Auch dieser Vertuschungsversuch hatte nach GA-Informationen am Montagmorgen bei der Staatsanwaltschaft noch keine Ermittlungen, beispielsweise wegen versuchter Strafvereitelung, zur Folge. Auf Nachfrage hieß es später: "Wir prüfen auch wegen Urkundsdelikten."

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