GA-Serie "Sportverletzungen" „Ich bin nicht mehr unzerstörbar“

Bonn · Die Schultereckgelenksprengung gehört nicht gerade zu den typischen Verletzungen eines Hockeyspielers. Der Bonner Florian Pohlmann erlitt sie dennoch im Spiel gegen den Oberhausener THC.

Ende Juni erlebte Florian Pohlmann wohl einen der größten Momente seiner sportlichen Laufbahn. Wenige Sekunden vor Spielende erzielte der Hockeyspieler des Bonner THV das 3:2 gegen den Oberhausener THC. Nicht sein erster Treffer, schließlich spielt er seit elf Jahren bei den Herren des BTHV und seit seiner Kindheit Hockey.

Es war aber eins seiner wichtigsten. Mit dem Tor im Spitzenspiel machte Pohlmann den Aufstieg seines Teams in die zweite Bundesliga perfekt. Das Duell gegen den THC im Juni wird dem 28-Jährigen in Erinnerung bleiben. Denn Pohlmann sorgte nicht nur für die Zweitklassigkeit, für den Mediziner schloss sich in diesem Moment auch ein Kreis. Denn ausgerechnet mit dem OTHC verbindet der 28-Jährige einen der schlimmsten Momente seiner sportlichen Karriere.

Es ist Dezember 2014. Hallensaison. Der BTHV ist zu Gast beim OTHC. Florian Pohlmann führt den Ball eng am Schläger und will sich durch zwei Kontrahenten durchzwängen. „Ich habe mich irgendwie mit meiner Keule mit der des Gegners verhakt und wurde regelrecht ausgehoben“, erinnert sich der 28-Jährige.

Pohlmann verliert das Gleichgewicht. „Eigentlich war das gar nicht schlimm. Ich bin nur mit meinem vollen Körpergewicht auf die Schulter geknallt.“ Pohlmann ist Mediziner, er weiß, welche Situationen zu einer Verletzung führen können. Diese gehört dazu. „Die Schulter war ab diesem Moment nicht mehr funktionsfähig“, sagt Pohlmann. Und mein Schlüsselbein stand seltsam ab.“ Er vermutet, dass es gebrochen ist.

Der Hockeyspieler wird sofort in eine Klinik in Oberhausen gebracht. Panik? Nicht die Spur. „Natürlich hilft mir da meine Vorbildung. Ich konnte selber sehen, was da nicht in Ordnung war“, sagt Pohlmann. „Insofern war ich ganz gelassen.“ Die Röntgenbilder bringen Gewissheit: Die Verletzung ist eine Schultereckgelenksprengung, dritten Grades.

Bei der Verletzung werden die Bänder gedehnt, eingerissen oder zerrissen, die das Schultereckgelenk stabilisieren und zusammenhalten. „Bei Hockeyspielern ist die Verletzung eher untypisch“, sagt Dr. Dieter Altmann, Chefarzt des Verbundkrankenhauses Linz-Remagen. „Sie ist klassisch beim Eishockey, kommt aber auch bei Radfahrern und im alpinen Skisport vor.“ Beim Hockey sind eher Platzwunden oder Kreuzbandrisse typisch. Pohlmann fällt den Rest der Hallensaison aus. Und nicht nur das, er muss operiert werden. „Das waren schon ganz starke Schmerzen“, so Pohlmann. „Es ist schon seltsam, wenn man den Arm nicht voll bewegen kann.“

Die OP ist bereits für den nächsten Tag in einem Bonner Krankenhaus geplant. Dabei wird Pohlmann eine Metallplatte eingesetzt. Laut Experten wird die Platte in der Regel hinter dem Acromion, dem oberen Teil des Schulterblattes, eingehakt. So soll das Gelenk wieder in die richtige Position gebracht und gehalten werden. „Diese Hakenplatte war bei der Bewegung schon unangenehm“, erinnert sich Pohlmann. „Ich schlafe in der Regel auf der verletzten Seite. Das ging durch die Verletzung nicht so einfach.“

Im Krankenhaus in Linz wendet Altmann bei der Schultereckgelenksprengung eine andere Methode an. „Mit Hilfe eines hochfesten Fadenbandmaterials und Titanplättchen wird das Schlüsselbein mit der sogenannten Dogbone-Button-Technik wieder an die richtige anatomische Position gebracht“, sagt der Chefarzt. Eine Art Flaschenzug hebt das Schlüsselbein bei dem minimal invasiven Eingriff an. „In dieser Position können die gerissenen Strukturen heilen.“

Trotz Metallplatte lässt sich Pohlmann vom Sporttreiben nicht Abhalten. Er geht joggen, um fit zu bleiben und fährt Ski. An Hockey ist nicht zu denken. Nach knapp acht Wochen wird die Platte wieder entfernt. In der Regel setzt an dieser Stelle die Physiotherapie ein. „Unsere Aufgabe besteht zu Anfang darin, abschwellende und schmerzlindernde Maßnahmen durchzuführen“, sagt Physiotherapeut Claus Bergmann. „Im weiteren Verlauf muss die Beweglichkeit der umgebenden fünf Gelenke erhalten beziehungsweise verbessert werden.“ Laut Bergmann wird nur durch die volle Beweglichkeit aller Gelenke die Funktionstüchtigkeit der Schulter garantiert. Pohlmann entscheidet sich gegen Reha-Maßnahmen.

„Ich bin eigentlich während der gesamten Zeit mobil geblieben“, sagt der 28-Jährige. „So ist der Muskel nicht atrophiert.“ Nur die Schmerzen haben ihn in der Bewegung eingeschränkt. Auch den Muskelaufbau nimmt er in die eigene Hand. Für einen Mediziner sicherlich eine Option, der Physiotherapeut warnt allerdings vor einer Eigentherapie. „Bei einer operativen Versorgung muss unbedingt die vom Operateur vorgegebene Bewegungs- und Belastungsgrenze eingehalten werden. Andernfalls droht einen Lockerung der Fixation und als Spätfolge eine Arthrose“, sagt Bergmann. Auch ein dauerhafter Kraftverlust sei theoretisch möglich.

Klassiker im Eishockey

Die Rückkehr in den Sport ist in der Regel verhältnismäßig schnell möglich. „Meine Empfehlung wäre, bei diesen Sportarten ab der achten Woche wieder in die volle Belastung zu gehen“, so Altmann. „Vorab kann man die Sportart spezifisch vorbereiten, ohne das Gelenk besonders zu belasten. Auf belastenden Situationen muss das Augenmerk liegen.“ Zum Beispiel sollte die argentinische Rückhand vorerst vermieden werden.

Pohlmann hat es geschafft. Er steht wieder auf dem Platz. Und das erfolgreich. Von der Verletzung spürt er nicht mehr viel. Aber: „Natürlich war das erst einmal ein Einschnitt. Gerade für den Kopf. Bis zu diesem Zeitpunkt bin ich von Verletzungen verschont geblieben“, sagt er. „Jetzt weiß ich, dass ich nicht mehr unzerstörbar bin.“ Pohlmann hat seinen persönlichen Fokus verschoben. Hockey sei nicht mehr alles, sagt er. Das liegt nicht an der schweren Verletzung. Er sei in einem Alter, in dem man sich auf andere Dinge konzentriere. Der Beruf ist wichtiger. Dennoch gehört Hockey weiterhin zu seinem Leben. In der kommenden Saison in der 2. Liga. Da hat Pohlmann den BTHV hingeschossen. Im Spiel gegen den OTHC.

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