Die Erfindung der Blutdruckmessung ist 125 Jahre alt Ein Fahrradschlauch brachte die Lösung

Bonn · Am 29. November 1896, also vor genau 125 Jahren, wurde das erste moderne Gerät zur Blutdruckmessung vorgestellt. Bluthochdruck ist heutzutage der wichtigste veränderbare Risikofaktor für Sterblichkeit.

 Für Professor Christian Strassburg gehört die Blutdruckmessung an den Anfang jeder internistischen Untersuchung.

Für Professor Christian Strassburg gehört die Blutdruckmessung an den Anfang jeder internistischen Untersuchung.

Foto: Stefan Hermes

Bevor der italienische Arzt Scipione Riva-Rocci heute vor 125 Jahren, am 29. November 1896, das erste moderne Blutdruckmessgerät vorstellen konnte, war das Messen des Blutdrucks eine wahrhaft blutige Angelegenheit. Die erste bekannte Blutdruckmessung führte der britische Priester und Naturforscher Stephen Hales im Jahr 1713 durch. Dabei schoss das Blut in einem Glasrohr, das Hales zuvor einem Pferd in die Halsschlagader eingeführt hatte, etwa 2,5 Meter in die Höhe.

Viele Male wiederholte Hales seinen Versuch bei dem er zusätzlich noch flüssiges Wachs in die Herzkammern der Tiere injizierte, bevor er sicher feststellen konnte, dass der Blutdruck sowohl von der Herzleistung als auch von dem Widerstand der Blutgefäße abhing. Bis zu Riva-Roccis Entdeckung wurden fortan den Menschen zur Messung des Blutdrucks kleine Glasröhrchen in die Arterien eingesetzt, um auf diese Weise den Druck des austretenden Blutes messen zu können.

Heute dürfte die unblutige Variante der Blutdruckmessung, die Riva-Rocci mithilfe einer Oberarmmanschette herausfand, zu den weltweit am häufigsten durchgeführten medizinischen Untersuchungen gehören. Das Stethoskop und die Blutdruckmessung wurden zum Sinnbild des Arztes und der ärztlichen Tätigkeit im 20. Jahrhundert.

 Moderne Oberarmmanschette: Liegt der obere Wert um 120 und der untere um 80 ist alles gut.

Moderne Oberarmmanschette: Liegt der obere Wert um 120 und der untere um 80 ist alles gut.

Foto: Stefan Hermes

„Die Blutdruckmessung ist wie eine Tür in den Körper“, sagt Christian Strassburg. Mit ihr verschaffe man sich zusammen mit Blutwerten und einer körperlichen Untersuchung einen ersten Eindruck darüber, wie gesund der Mensch ist und welche Risikofaktoren potentiell auf ihn zukommen, so der Internist und Leiter der Medizinischen und Poliklinik I des Bonner Universitätsklinikums.

Diese „Tür in den Körper“ wurde von seinem Kollegen, dem Turiner Universitätsprofessor Riva-Rocci 1896 aufgestoßen. Er entdeckte das Verfahren, mit dem der Blutdruck auch unblutig gemessen werden konnte, wenn man die Oberarmarterie eines Menschen mittels einer Manschette zusammenpresste. Dabei benutzte Riva-Rocci den erst wenige Jahre zuvor erfundenen Fahrradschlauch für seine aufblasbare Manschette. Für die Untersuchung legte man die Schlauchmanschette am Oberarm des Patienten an, fühlte den Puls am Handgelenk und pumpte mit einem Ballon die Manschette so lange auf, bis sie die Oberarmarterie völlig zusammendrückte und der Puls verschwand. Dabei stieg das Quecksilber in der über Schläuche angeschlossenen Messsäule an. Dann ließ man den Druck langsam ab und beobachtete gleichzeitig das Sinken des Quecksilbers in der Säule. Sobald der Manschettendruck unter den Spitzendruck des Blutes abfiel, begann das Blut wieder durch die Arterie zu fließen und der Puls wurde wieder tastbar. Der angezeigte Druck entsprach der Blutdruckspitze, die entsteht, wenn das Herz das Blut in die Schlagadern presst, dem systolischen Druck. Der zweite Wert, der diastolische Druck, war mit Riva-Roccis Verfahren nicht messbar.

 Die Apparatur zur Blutdruckmessung von Scipione Riva-Rocci (1896).

Die Apparatur zur Blutdruckmessung von Scipione Riva-Rocci (1896).

Foto: Wellcome Library London

Erst etwa zehn Jahre später wurde die Blutdruckmessung durch den Einsatz des Stethoskops ergänzt, mit dem Geräusche abgehört werden konnten, die entstehen, wenn die Luft aus der Manschette abgelassen wurde und das Blut wieder zu fließen begann. Die nach ihrem russischen Entdecker Nikolai Korotkow benannten Geräusche markieren den systolischen und diastolischen Blutdruck. Doch immer noch wird der Druck in der Manschette so angegeben, als würde man ihn mit der einer Quecksilbersäule messen, die Riva-Rocci verwendete.

Bei einem Wertepaar von 120/80 heißt das, dass das Herz beim Zusammenziehen so viel Druck ausübt, wie eine 120 Millimeter hohe Quecksilbersäule. Und wenn das Herz sich gerade mit Blut füllt, dann herrscht im Kreislaufsystem der einer 80 Millimeter hohen Säule entsprechende Druck. „Wenn man einen erhöhten Blutdruck hat“, so Professor Strassburg, „dann muss man die Ursache klären.“ Denn man habe dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein kürzeres Leben.

Strassburg empfiehlt Menschen mit einem Risikofaktor wie Übergewicht oder Diabetes die regelmäßige Selbstmessung des Blutdrucks. Dabei betont er die Eigenverantwortung als wichtigem Baustein in der Zusammenarbeit von Patient und den behandelnden Ärztinnen oder Ärzten. Die heutigen Oberarmmessgeräte, die er für den privaten Gebrauch denen für das Handgelenk vorzieht, erfassten die Korotkow-Geräusche automatisch und seien in ihrer Verlässlichkeit „gar nicht so schlecht“, so Strassburg.

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