Prozess in Bonn Angestellte rettet Vergewaltigungsopfer vor Peiniger

Bonn · Nervös sitzt die 44-Jährige im Zeugenstand vor der 3. Großen Bonner Strafkammer und entschuldigt sich dafür, dass sie am 30. Mai vergangenen Jahres erst mit Verzögerung einschritt, als sie in dem Supermarkt eine Kundin mit blutigem Gesicht in Begleitung eines Mannes sah.

 Der Angeklagte verdeckt sein Gesicht mit einer Akte.

Der Angeklagte verdeckt sein Gesicht mit einer Akte.

Foto: Benjamin Jeschor

Tatsächlich bewies die Mitarbeiterin des Supermarktes Courage und hat mit ihrem Eingreifen vielleicht noch Schlimmeres verhindert. Denn die Frau, die sie schließlich vor dem Mann rettete, war von diesem misshandelt und vergewaltigt worden. Davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt und hat den 48-Jährigen angeklagt.

Sie wirft dem Mann vor, am Tattag bei der 61-Jährigen aufgetaucht zu sein, sie mit einer Pistole bedroht und mit den Fäusten so das Gesicht traktiert zu haben, dass Knochen brachen, ihre Zähne zerschlagen wurden und auch im Kopf Blutungen entstanden. Dann habe er sie vergewaltigt. Wie die 61-Jährige später der Polizei erklärte, habe sie dem Angreifer schließlich aus Angst um ihr Leben versprochen, für ihn zu kochen – nachdem sie noch etwas eingekauft habe. Ihre Hoffnung sei gewesen, dass ihr im Supermarkt jemand helfe, dem Mann zu entkommen.

Ihre Hoffnung erfüllte sich dank der Mitarbeiterin. Die schildert als Zeugin, wie sie die Kundin mit den schweren Gesichtsverletzungen gesehen habe. Gesicht und auch der Mund sei nur noch eine blutige Masse gewesen. Der Mann sei immer um sie herum gewesen. Nachdem sie kurz mit einer Kollegin besprochen habe, was davon zu halten sei, habe sie beschlossen einzuschreiten.

Sie sei auf die Frau zugegangen und habe sie leise gefragt, ob sie Hilfe brauche. Die habe ihr zugeflüstert: „Der macht mich fertig, der will mich umbringen.“ Daraufhin habe sie die Frau am Arm genommen, den Mann abgewehrt und aufgefordert wegzubleiben und erklärt, sie bringe die Frau zur Toilette. Dort habe die Kundin ihr gesagt, was der Mann ihr angetan habe, und sie habe die Polizei gerufen. Der Mann sei vor der Toilette herumgeschlichen und schließlich abgehauen.

Der Angeklagte selbst sagt an diesem ersten Prozesstag nichts. Er überlässt seiner Anwältin das Reden. Und die erklärt für ihn: Ihr Mandant, der schon mit fünf Jahren vor Gewalt in der Familie weggelaufen und in Heimen aufgewachsen sei, habe die 61-Jährige im Auftrag eines Bekannten aufgesucht. Der sei sein Drogenlieferant und habe ihm Drogen versprochen, wenn er mit der Frau rede, weil die vorhabe, ihren eigenen Sohn vor Gericht zu belasten. Doch dann habe die Frau ihn beschimpft und beleidigt, und er sei ausgerastet. Das tue ihm nun furchtbar leid. Aber vergewaltigt habe er die Frau nicht. Sie habe ja sogar noch etwas kochen wollen für sie beide.

Angesichts der Fotos vom schwer verletzten Gesicht der 61-Jährigen fragt Kammervorsitzender Klaus Reinhoff den Angeklagten, ob so jemand wohl überhaupt an Essen denken könne. Eine Antwort bleibt der Mann schuldig.

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