Chaos in Bonner Arztpraxen Grippewelle kommt erst noch

BONN · Es wird gebützt, aus denselben Gläsern getrunken und generell kommen sich viele Menschen nahe: An Karneval können sich Viren und Bakterien theoretisch gut verbreiten. Bisher hat es aber vor allem die Karnevalisten auf der Bühne getroffen. Und auch die Mediziner in der Region sind vorsichtig, Karneval für eine Grippewelle verantwortlich zu machen.

 Ärztin Daniela Kreuzer untersucht in ihrer Praxis in der Bonner Südstadt eine Patientin, die klassische Erkältungssymptome hat.

Ärztin Daniela Kreuzer untersucht in ihrer Praxis in der Bonner Südstadt eine Patientin, die klassische Erkältungssymptome hat.

Foto: Nicolas Ottersbach

Die Arztpraxen in Bonn und Umgebung haben derzeit viele Patienten, die über Erkältungen und Magenprobleme klagen. "Nicht jede Erkältung ist eine Grippe und nicht jede Erkältungswelle eine Grippewelle", sagt Heiko Schmitz von der kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.

Der Internist Friedrich Prünte in Friesdorf wurde in dieser Woche von Patienten überrannt. "Teilweise war es echt chaotisch", sagt er. In den vergangenen zwei Wochen seien stetig mehr Menschen zu ihm gekommen. "Eine Grippewelle ist das nicht, es haben viele normale Atemwegserkrankungen und Magen-Darm-Infekte." Mit Karneval bringt Prünte das nicht direkt in Verbindung, sondern eher mit der kalten Jahreszeit. Dementsprechend hat er seine Sprechstunden darauf vorbereitet. Akute Fälle behandelt er so schnell wie möglich.

Es scheint fast so, als sei der Rhein eine natürlich Grenze für Bazillen. Denn der Allgemeinmediziner Holger Liebermann verzeichnete diese Woche nur einen leichten Anstieg an Infektionen in seiner Beueler Praxis. "Im Vergleich zu anderen Jahren ist das noch vergleichsweise harmlos." Dass die karnevalistischen Massenveranstaltungen dieser Tage bei dem leichten Anstieg eine Rolle spielen, ist sich Liebermann aber sicher. "Da kommt an den Karnevalstagen vermutlich noch einiges auf uns zu."

[kein Linktext vorhanden]Für das Robert-Koch-Institut, das Daten von deutschlandweit mehr als 700 Praxen auswertet, hat die Grippewelle gerade erst begonnen. "Viele Faktoren spielen eine Rolle", erklärt Susanne Glasmacher. Weil die Menschen sich in der kalten Jahreszeit viel in Räumen mit warmer Luft aufhalten, trocknen die Schleimhäute aus und sind angreifbarer. Draußen ist es dagegen so kalt, dass die Erreger länger überleben können. Deshalb grassiert die Grippe im Winter, und nicht im Sommer. Für das Rheinland spricht das RKI aktuell von einer "moderat erhöhten" Influenza-Aktivität. Der eigens dafür entwickelte Praxis-Index liegt in Nordrhein-Westfalen knapp über dem Normalwert von 115.

Zum Vergleich: Im selben Zeitraum der letzten großen Grippewelle Anfang 2013 lag er bei etwa 180. Besonders betroffen sind regelmäßig Kinder bis vier Jahre. "Sie gelten auch als wichtige Grippeüberträger", sagt Glasmacher. So macht der Praxis-Index in den Ferien stets einen Knick. Als Faktor ist allerdings zu beachten, dass über die Feiertage weniger Menschen zum Arzt gehen. Den Karneval für eine Grippewelle verantwortlich zu machen lässt sich laut Glasmacher weder belegen, noch widerlegen. "Im Grund ist jede Veranstaltung mit vielen Menschen ein möglicher Übertragungsherd", sagt sie. Meist blieben Grippekranke jedoch zu Hause, weil der Verlauf der Krankheit sehr abrupt sei. "Wer eine richtige Grippe hat, hat sicherlich keine Lust mehr auf Karneval."

Bei der Allgemeinmedizinerin Daniela Kreuzer haben in den vergangenen Tagen etwa 70 Prozent ihrer Patienten diese "saisonalen Beschwerden". Schwierig sei bei der Diagnose, zu entscheiden, ob es sich um eine echte Grippe oder nur eine Erkältung handelt. "Einen richtigen Influenza-Fall hatte ich dieses Jahr noch nicht", erzählt sie. Kreuzer spricht deshalb von einer Erkältungswelle. Das solle aber kein Grund sein, sich den Karneval vermiesen zu lassen. "Das Risiko sich anzustecken ist kalkulierbar und auch ehrlich gesagt nicht so schlimm."

Die Kölner Karnevalsagentur "Alaaaf.de" musste am vergangenen Wochenende 40 Termine mit Ersatzakteuren besetzen. Unter anderem waren Marc Metzger und Wicky Junggeburth grippekrank. Geschäftsführer Horst Müller gibt fürs nächste Wochenende Entwarnung: "Wenn alles gut läuft, sind alle wieder am Start. So einen Krankenstand habe ich noch nie erlebt."

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