Kommunalwahl in Bonn Grüne entschieden, wer für sie ins Rennen gehen soll

BONN · Ein Raunen geht durch den Saal, als Karl Uckermann aufsteht. Versammlungsleiter Jörg May hatte gerade gefragt, wer denn noch als Spitzenkandidat der Grünen antreten möchte. Doch Uckermann reicht nur einen Zettel weiter und setzt sich wieder.

Katja Dörner und Julia Mayer (von links) präsentieren die neuen Kandidaten.

Katja Dörner und Julia Mayer (von links) präsentieren die neuen Kandidaten.

Foto: Barbara Frommann

"Schade", ruft einer aus der Ecke der Grünen Jugend. Der 61-jährige frühere Fraktionssprecher der Grünen im Bonner Stadtrat zog sich 2009 aus der aktiven Politik zurück. Er galt als unbequemer, aber sehr kompetenter Kommunalpolitiker.

Die kleine Szene spiegelt ein wenig die Stimmung innerhalb der Bonner Grünen wider: Den Nachwuchs drängt es nach vorne, und manch ein Ur-Grüner wie Jens Peters fordert den Rückzug der alten Recken, die verhinderten, dass sich die Fraktion erneuere. "Stellt Euch gegen die Platzhirsche", rief er am Samstag die mehr als 100 Mitglieder im Haus der Evangelischen Kirche auf.

Und so kam es auch: Kaum ein Platz auf der Kandidatenliste für die Kommunalwahl wurde ohne Kampfabstimmung vergeben. Nicht mehr kandidieren wollten nur Gisela Mengelberg, Gabriele Albert-Trappe und Landtagsabgeordneter Rolf Beu, der sich für eine neue Fraktion mit "unverzichtbaren" Erfahrenen und Neuen aussprach.

Doro Paß-Weingartz, 62 und seit 1984 im Rat, setzte sich mit 60 zu 42 Stimmen noch relativ eindeutig gegen Brigitta Poppe, 56, durch. Überraschend knapp wurde es für Peter Finger, 58. Mit 59 zu 50 Stimmen gewann er die Abstimmung gegen Stefan Freitag, 32. Poppe landete auf Platz drei, Freitag auf Platz vier.

Der profilierte Planungspolitiker Hardy Lohmeyer schaffte es erst im dritten Anlauf, einen sicheren achten Platz auf der Liste zu ergattern. Der sozialpolitische Sprecher, Detmar Jobst, 60, wird dem nächsten Rat wohl nicht mehr angehören, knapp wird es auch für Angelica Maria Kappel, 55, Bürgermeisterin und Vorsitzende des Ausschusses für Internationales und Wissenschaft auf Platz 13, und Gertrud Smid, 61, auf Platz 15.

Die Grünen haben derzeit zwar 15 Mitglieder im Stadtrat, doch das hat nicht nur mit ihrem guten Wahlergebnis von 18,6 Prozent zu tun. Wegen der Überhangmandate wuchs der Rat nach der Kommunalwahl 2009 von 67 auf 80 Sitze an. Realistisch können die Grünen mit zwölf Sitzen rechnen. Gibt es nicht wieder Ausgleichsmandate, müssten sie gut 19 Prozent erreichen, um 13 Sitze sicher zu haben.

Auf den ersten 15 Plätzen setzten sich nun fünf Neulinge durch: Annette Standop erzielte für Platz 5 mit 90 Ja-Stimmen das beste Ergebnis. Die 45-jährige Gestalttherapeutin wirkte als Vertreterin der Grünen am Bonner Behindertenpolitischen Teilhabeplan mit und war sachkundige Bürgerin im Sozialausschuss. Sie beschreibt sich als "eine Frau, die unter anderem auch behindert ist" und ihre Leidenschaft für ihren Beruf auf die Politik übertragen möchte.

Tim Achtermeyer wird mit seinen 20 Jahren wohl der Jüngste im neuen Rat werden. Der Student der Politikwissenschaften kandidiert auf Platz 10. In seiner Vorstellung sprach er den mangelnden sozialen Wohnungsbau in Bonn an und sich für Kulturvielfalt aus: "Wir brauchen die Nordbrückenpartys und das Beethovenorchester."

Kulturpolitik soll Schwerpunkt der Arbeit von Ros Sachsse-Schadt, 61, werden. Die promovierte Kunsthistorikerin und frühere Denkmalpflegerin sprach sich wie viele andere Grüne gegen ein neues Festspielhaus und für eine ordentliche Sanierung der Beethovenhalle aus. "Wir brauchen keine neuen Orte, sondern müssen unser Augenmerk darauf konzentrieren, was dort passiert", sagte die Sprecherin des Ortsverbands Beuel.

Julia Mayer, Sprecherin des Kreisverbands Bonn, war anschließend zufrieden: "Ich bin begeistert, wie viele Menschen sich für grüne Politik begeistern und sich aktiv einbringen wollen. Was heute bei uns geschehen ist, ist gelebte Basisdemokratie."

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