Anatomie

Das Kino-Jahr 2000 ist noch jung, und schon gibt es die erste große Enttäuschung "made in Germany".

Regisseur Stefan Ruzowitzky, dessen fulminanter Heimatfilm "Siebtelbauern" zu den positiven Überraschungen des vergangenen Jahres zählte, misslingt sein Ausflug ins Horror-Genre auf der ganzen Linie.

Franka Potente, nach "Schlaraffenland" erneut glücklos in der Wahl ihre Rolle, kommt während eines Elitekurses im Fach Anatomie an der Universität Heidelberg einem mörderischen Geheimbund, den Antihippokraten, auf die Spur.

Deren Mitglieder sehen sich seit Jahrhunderten nur der Forschung verpflichtet und präparieren ihre Opfer auch schon mal bei lebendigem Leibe.

Und natürlich steht die vorwitzige Studentin bald ganz oben auf der Wunschliste der Sezierer. So sieht er also aus, der Horror in Heidelberg.

Ohne jedes Gefühl für Spannung und einen schlüssigen dramatischen Bogen bewegt sich das Werk von einer Inszenierungskatastrophe zur nächsten.

Kein einziger der Charaktere ist stimmig gezeichnet und überzeugend. Weder Franka Potente, die als Streberin ungewöhnlich blass und unsympathisch daherkommt, noch ihr Gegenpart Benno Fürmann.

Der bekommt als Mitglied der Antihippokraten zwar einen Hintergrund mit faschistischen Zügen verpasst, nur vermag dieser keinen wahren Schrecken zu verbreiten.

Gleicht doch das konspirative Treffen der Antihippokraten im Keller der Universität mehr einer trostlosen Karnevalssitzung in der Diaspora als einer gefährlichen Geheimorganisation.

Bis auf die schaurig inszenierte Eröffnungssequenz, in der ein Opfer bemerkt, dass es bei lebendigen Leibe seziert wird, ist eigentlich alles misslungen. Und am Ende, wenn die Skalpelle zum Show-down gewetzt werden, brechen wirklich sämtliche Dämme der Dämlichkeit.

Bevor das Erfolgsproduzenten-Duo Claussen und Wöbke ("Jenseits der Stille", "23") erneut den Angriff auf die amerikanische Bastionen des Genrekino wagt, sollte es, statt anatomischen Studie zu betreiben, zuerst einmal die Kinderkrankheiten des deutschen Gegenwartskinos ausmerzen.

Im Unterschied zu den meisten ihrer Kollegen beim Fernsehen beherrschen viele unserer Kinokünstler offensichtlich noch nicht einmal die Grundlagen des Handwerks.

(Film-Kritik aus dem General-Anzeiger)

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