Kommentar Flüchtlinge in Italien: Außer Kontrolle

Die Szenen, die sich in diesen Tagen in Italien zutragen, sind Ausdruck des Versagens der EU. Dutzende Flüchtlinge sitzen auf den Felsen vor der ligurischen Küstenstadt Ventimiglia und beharren darauf, nach Frankreich weiterreisen zu dürfen.

Die Bahnhöfe in Mailand, in Bozen und in Rom sind überfüllt. Öffentliche Parks in Udine gleichen anarchischen Campingplätzen. Italien hat die unerträgliche Situation längst nicht mehr im Griff.

Die Europäische Union hingegen versteckt sich hinter den beiden Mittelmeer-Anrainerstaaten Italien und Griechenland. In diesen Ländern kommen fast alle Bootsflüchtlinge an. Mehr als 100 000 sind es bereits in diesem Jahr. Mehrere Faktoren tragen zum Chaos bei. Es ist Sommer, die Überfahrten nehmen zu. Da sind außerdem die Streitigkeiten innerhalb Italiens über den Umgang mit Flüchtlingen, die über das Mittelmeer italienisches Festland erreicht haben. Zum anderen droht die Situation zu eskalieren, weil unter anderem Frankreich strengere Grenzkontrollen eingeführt hat und auf der Durchsetzung der sogenannten Dublin-II-Verordnung beharrt. Danach müssen Flüchtlinge in dem EU-Staat bleiben, in dem sie angekommen sind.

Dublin II ist das Brüsseler Feigenblatt, das längst viel zu klein ist, um die Scham eines Kontinents zu verdecken, der sich hinter seinem Wohlstand verschanzt. Wenn die EU wirklich eine Interessengemeinschaft sein will und kein Club der Eigensinnigen, dann müssen endlich feste Aufnahmequoten für Flüchtlinge eingeführt werden.

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