Premiere im Kleinen Theater Bonn Auf den Spuren des Dichters

Bonn · Eines geheimnsvolles Gepäckstücks und eine Reise in die Vergangenheit: Das Stück „Weinhebers Koffer“, nach dem Roman von Michel Bergmann, feierte im Kleinen Theater seine Bonner Premiere.

 Briefe mit Botschaft: Elias Ehrenwerth (Anton Tsirin, vorne) spürt dem Schriftsteller Leonard Weinheber (Hanno Dinger) nach.

Briefe mit Botschaft: Elias Ehrenwerth (Anton Tsirin, vorne) spürt dem Schriftsteller Leonard Weinheber (Hanno Dinger) nach.

Foto: Kleines Theater

Der junge Journalist Elias Ehrenwerth entdeckt auf der Suche nach einem originellen Geburtstagsgeschenk für seine Freundin Lisa Winter bei einem Berliner Trödler einen alten Lederkoffer mit den Initialen L.W., gefüllt mit Briefen und Manuskripten. Eine Visitenkarte verweist auf den einstigen Besitzer: Dr. phil. Leonard Weinheber. Der Koffer muss in Palästina gewesen sein, wurde im Hafen jedoch nicht abgeholt und landete nach vielen Jahren wieder in Berlin. Elias begibt sich auf die Spur des geheimnisvollen Gepäckstücks.

Der jüdische Dichter Leonard Weinheber, der auf einer Schiffspassage nach Palästina spurlos verschwand, ist eine Erfindung des Schriftstellers und Filmregisseurs Michel Bergmann. Dessen 2015 erschienener kurzer Roman „Weinhebers Koffer“ ist die Vorlage für das gleichnamige Theaterstück, das nun im Kleinen Theater seine Bonner Premiere feierte. Der fiktive Weinheber schrieb um 1931 an einem Roman „Die blutende Stadt“, dessen Protagonist Abraham Friedländer Opfer antisemitischer Umtriebe wurde. Diese doppelte Fiktion auf die Bühne gebracht hat die Schauspielerin und Regisseurin Britta Shulamit Jakobi, die sich mit ihrem Kölner Projekt „rimon productions“ auf jüdische Themen spezialisiert hat. Kürzlich gastierte das Ensemble bereits im Kleinen Theater mit Arthur Millers letztem Drama „Scherben“.

Eintauchen in die Vergangenheit

Elias, sympathisch naiv verkörpert von Anton Tsirin, reist nach Israel, trifft im quirligen Jaffa Palästinenser und jüdische Emigranten (gespielt von Isai Lieven) und taucht immer tiefer ein in die Vergangenheit. Er erfährt von Weinhebers Liebesbeziehung zu der jungen Schauspielerin Lenka Rosen (alle weiblichen Rollen: Britta Shulamit Jakobi) und von dem nie veröffentlichten Romanfragment.

Und plötzlich sehen wir Weinheber auf dem Schiff unterwegs nach Palästina. Bewundert von einer jungen Frau, die seine Nähe sucht, während er der verlorenen Heimat nachtrauert: „Mein Deutschland ist nicht das Land der Nazis. Es ist das Land Schillers, Börnes, Beethovens. Ich habe über dreißig Jahre in diesem Land gelebt. Ich habe es noch gekannt, als es noch nicht schuldig war, noch nicht infiziert vom Geist des Bösen.“ Es ist der hervorragende Schauspieler Hanno Dinger, zuletzt am Kleinen Theater zu erleben als Adolf Eichmann in dem Monologstück „Bald ruh‘ ich wohl“, der diese vielschichtige Gedankenreise über alle dramaturgischen Klippen trägt. Ihm gelingt es, dem verschollenen Dichter Weinheber ebenso eine überzeugende Präsenz zu verleihen wie dessen Romanfigur Friedländer.

Ansonsten verschwimmt die inklusive Pause knapp zweistündige Inszenierung irgendwo zwischen Imagination und Wirklichkeit. 

Nächste Vorstellungen mit einigen Unterbrechungen bis zum 3. November regelmäßig um 19.30 Uhr, am 23. und 30.10, auch um 15.30 Uhr. Tickets unter ☎ 0228/36 28 39, Weitere Infos unter www.kleinestheater.eu

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