Gerhard Polt in der Oper Bonn Menschenkenner mit Biss

Bonn · Das Jubiläumsprogramm von „Quatsch keine Oper“ beschert dem Publikum eine Begegnung mit Gerhard Polt. Der ist 80, aber bissig wie ehedem. Und er bringt musikalische Unterstützung mit.

 Auch mal ohne musikalische Begleitung: Gerhard Polt (rechts).

Auch mal ohne musikalische Begleitung: Gerhard Polt (rechts).

Foto: Thomas Kölsch

Jenseits des Weißwurst-Äquators ist die Welt noch in Ordnung. Oder tut zumindest so. Dort, in Bayern, gibt es immerhin noch Nachbarn, die aufeinander achtgeben und ihre Mitmenschen zum rechten Leben ermutigen, bei Bedarf auch mit Drohnenunterstützung; und es gibt jene, die Verantwortung übernehmen, zumindest wenn das Honorar stimmt; und es gibt Gerhard Polt. Der Grandseigneur des süddeutschen Kabaretts ist ein Meister der Satire, scharfsinnig, bissig, aber nie plump, selbst wenn er den bornierten Bürger mimt. Mit 80 Jahren ist er keineswegs leiser geworden, höchstens feiner. Jetzt ist er zusammen mit den Well-Brüdern aus'm Biermoos im Rahmen der Jubiläumsausgabe von „Quatsch keine Oper“ nach Bonn gekommen.

Dörflicher Kleingeist und religiöse Borniertheit

Polt und die Well-Brüder verbindet eine lange Geschichte. Seit nunmehr vier Jahrzehnten treten er und die drei Musiker gemeinsam auf und sezieren die deutsche oder mitunter auch nur die bairische Lebensweise, den dörflichen Kleingeist und die religiöse Borniertheit. Die Brüder – drei von insgesamt 15 Geschwistern, die allesamt mehrere Instrumente beherrschen – bleiben dabei nicht im Schatten von Polt stehen, sondern gehen mit ihren Stanzerl gleichsam in den Angriffsmodus über, vielleicht etwas volkstümlicher in der Form, aber nicht weniger modern im Inhalt.

Großartig unter anderem eine „Lesung aus dem Buche Bayern“ über das Ende aller Tage und die Botschaft des heiligen Markus, in dem Michael und Karl Well so manche Fehlentscheidung der vergangenen Jahre augenzwinkernd aufs Korn nehmen. Die beiden müssen hier zu zweit arbeiten, da der dritte im Bunde, Christoph „Stofferl“ Well, mit Corona im Bett liegt – er wird vertreten von Michaels Sohn Matthias, der denn auch als Geiger eine exzellente Figur macht, sich ansonsten aber zurückhält und lieber Vater und Onkel machen lässt. Die wiederum sind ein eingespieltes Team mit einem ganzen Füllhorn an Instrumenten (darunter natürlich das Alphorn, aber auch eine Drehleier und eine vom katholischen Priesterseminar entliehene Stab-Reibtrommel, der so genannte Brummtopf), das aber mit der Virtuosität und vor allem dem Tempo des Nachwuchses zu kämpfen hat, der den beiden mitunter enteilt.

Im Zentrum des Geschehens steht aber natürlich Gerhard Polt, ein Menschenkenner und dennoch kein Misanthrop, selbst wenn er so tut. „Der Mensch ist ein Zwischenwirt“, sagt er in seiner Rolle als Mann aus dem Volke, „ein Biotop für Schädlinge aller Art, für Viren, Läuse, Immobilienmakler und Waffenhändler.“ Da hat Polt lieber seine Ruhe, und auf die Solidarität sei geschissen. Ist doch eh alles ein verlogener Haufen, in dem sich jeder nur um das eigene Wohl kümmert. Der neue Geistliche aus Indien plant eine Re-Christianisierung Bayerns, die Chirurgen und Orthopäden jammern über zwei ausgefallene Ski-Saisons und die dadurch eingebrochenen Unfallstatistiken, und die Frauen sorgen dafür, dass selbst ihre angeheirateten Deppen egoistisch werden. Und wer merkt's? Der Polt. Genüsslich spiegelt er die ihm so verhassten Wesenszüge, führt katholischen Konservatismus ebenso vor wie pragmatischen Sexismus und die Flucht vor der Verantwortung. Das ist ganz großes Kabarett, für das Polt – ebenso wie die Well-Brüder – am Ende den verdienten Applaus erhält.

Termin: Am 30. Oktober kommen Matthias Brandt und Jens Thomas mit einer musikalischen Lesung zu E.T.A. Hoffmanns „Die Bergwerke zu Fallun“ in die Bonner Oper. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr. Karten erhalten sie bei allen bekannten Vorverkaufsstellen.

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