Ausstellung im Arp Museum „Dada ist die Weltseele, Dada ist der Clou“

Remagen · Mit einer Doppelausstellung und einem ganztägigen Eröffnungsfest am Sonntag steigt das Arp Museum Bahnhof Rolandseck in Remagen in sein Jahresthema Dada ein.

"Dada ne signifie rien“, schrieb Tristan Tzara in seinem Manifest von 1918, Dada bedeute nichts. Und Hans Arp bemerkte rückblickend: „Ich bin überzeugt, dass dieses Wort gänzlich unbedeutend ist und dass sich nur Schwachsinnige und spanische Professoren für nähere Angabe interessieren.“ Arp, Dadaist der ersten Stunde, irrte. Dada war der Renner des Jahrhunderts.

Es gab Dada aber auch schon vor Dada. Die Dresdener Firma Bergmann & Co. für Toilettenartikel mit einem Werk in Zürich hatte das Wort Dada als Produktnamen für ein „haarstärkendes Kopfwasser“ und eine Lilienmilchseife registrieren lassen. Hugo Ball, der als Vater des Begriffs Dada für die vor 100 Jahren im Zürcher „Cabaret Voltaire“ gegründete Kunstbewegung gilt, brachte beide Marken in Verbindung: „Dada ist die Weltseele, Dada ist der Clou, Dada ist die beste Lilienmilchseife der Welt.“

Die Bedeutung einer schlagkräftigen Marke für eine so heterogene Kunstbewegung – die im Musikalischen und Malerischen ebenso fußte wie in Literatur, Tanz und Skulptur – früh erkannt zu haben, ist ein Indiz für die Modernität und Dynamik von Dada. Verblüffend dagegen, wie vergleichsweise konservativ, konventionell und gar nicht wild avantgardistisch die Anfänge 1916 in Zürich waren.

Von diesem künstlerischen Startschuss mitten im fürchterlichen Krieg, von den ersten Schritten Dadas erzählt eine bemerkenswerte Ausstellung im Arp Museum Rolandseck. Streng genommen ist es mehr als eine Ausstellung, nahezu der gesamte Museumskomplex in Remagen hat sich in ein höchst anregendes Dada-Labor verwandelt.

Da wird zum einen die Kunstbewegung als Zeitphänomen sehr differenziert in ihre Kraftzentren „Cabaret Voltaire“ und „Galerie Dada“ zerlegt, ferner werden zwölf zentrale Themenfelder durchdekliniert. „Genese Dada“ heißt dieser enzyklopädische Überblick, der präzise und didaktisch anregend erklärt, was Dada ist.

Darauf, was Dada heute bedeutet, geben Stipendiaten des Künstlerhauses Schloss Balmoral im Bahnhof Rolandseck Auskunft: Als Anreger der Kunst spielt Dada offensichtlich immer noch eine große Rolle – aber es geht auch ohne. Als Mittler zwischen den Jahrhunderten, zwischen Dada und Nicht-Dada fungiert der wunderbare Tunnel zum Neubau mit einer Text-Collage, die diese „Dada-Schleuse“ beschallt. Sogar im Aufzug wird der Besucher über Protagonisten von Arp bis Tzara informiert.

Morgen eröffnet das Arp Museum seine Ausstellungen und sein Dada-Jahr mit einem ganztägigen Fest. Hauptattraktion ist die „Dada Genese“ im Obergeschoss des Meier-Baus. Eher schummrig kommt der Kubus des „Cabaret Voltaire“ daher: Auf der kleinen Bühne steht ein Piano, an der Wand hängen Zeichnungen von Arp und Elie Nadelman, kubistische Radierungen von Picasso, August Mackes „Tegernseer Landschaft“ von 1910 und eine gemalte Collage Max Oppenheimers zum Weltkrieg. Ist das die Avantgarde?

Auch das helle Kabinett, das die 1917 eröffnete „Galerie Dada“ porträtiert, verblüfft. Von wildem Aufbruch ist in diesem Ambiente mit knisterndem Kamin und Kristall-Lüster an der Decke nichts zu spüren: Afrikanische „Neger-Plastik“ steht hier neben Giorgio de Chiricos „Metaphysischer Malerei“, Heinrich Campendonks eigenwilligem Kubismus, einer geometrischen Komposition von Hans Arp sowie Bildern von Hilla von Rebay und Otto van Rees. Hier glühen noch einmal das Fin-de-Siècle und die frühe Vorkriegsmoderne nach. Ein faszinierendes Panorama, das man sich gerne üppiger gewünscht hätte: Unterm Strich stehen „nur“ etwas über 40 Kunstwerke einer Vielzahl von Dokumenten und Faksimiles in „Genese Dada“ gegenüber.

Das hat freilich seine Logik, geht es in Rolandseck doch um den (gelungenen) Versuch, die Brisanz der Bewegung zu erklären. Die besteht nicht in Einzelwerken, sondern in der Zusammenschau, im Amalgam aus Strömungen und Ideologien der Zeit, die Dada wie ein Schwamm aufsog, außerdem neu bewertete und dynamisierte.

Adrian Notz, aktueller Chef des „Cabaret Voltaire“ und neben Astrid von Asten Kurator der Schau, hat wunderbare, wilde Diagramme zu Dadas Mystik und Psyche, Philosophie, Literatur, Kunst, Sprache, Revolte, Marke und weiteren zentralen Feldern hergestellt, die vieles klären, den einen oder anderen Besucher aber auch heftig verstören werden. Aber: So ist Dada.

Arp Museum Rolandseck; bis 10. Juli. Di-So 11-18 Uhr. Eröffnung: Sonntag ab 11 Uhr

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