Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf Nick Cave & The Bad Seeds gaben ein fabelhaftes Konzert

DÜSSELDORF · Mit "Push The Sky Away" haben Nick Cave & The Bad Seeds im vergangenen Februar ein Album für den Kanon der Popmusik herausgebracht. In der Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf eröffnete die Band am Dienstagabend ihr Konzert vor 5500 Zuhörern mit "We No Who U R", dem ersten Stück des neuen Albums.

 Er macht immer eine gute Figur: Popstar und Stil-Ikone Nick Cave im Düsseldorfer Konzert.

Er macht immer eine gute Figur: Popstar und Stil-Ikone Nick Cave im Düsseldorfer Konzert.

Foto: Thomas Brill

Doch auch die rund dreißigjährige Bandvergangenheit wurde an diesem großartigen Abend lebendig: mit Songs wie "Watching Alice", "Tupelo", "From Her To Eternity", "The Mercy Seat", "Red Right Hand", "Papa Won't Leave You, Henry" und "West Country Girl". Das Konzert endete mit einer Ballade, dem neuen Song "Give Us A Kiss". Er ließ auf ein neues Album hoffen.

Cave, 56, ist ein Mann extremer Gefühle. Mit quasi-religiöser Inbrunst singt er von himmlischen Freuden und höllischen Qualen. Mörderballaden gehören zu seinem Kerngeschäft. Manchmal schien es, als wollte da einer, der sich mit Vorliebe im Kopf von Kranken und Verrückten einnistet, böse Geister austreiben. Als er musikalische Horrorszenarios wie "The Mercy Seat" und "Red Right Hand" mit kräftigen Farben ausmalte, bewegte sich der Sänger ein ums andere Mal wie von Stromschlägen geschüttelt. Jim Sclavunos am Schlagzeug trommelte dazu ohrenbetäubende Klang-Gewitter herbei.

"Jubilee Street" begann bewusst lakonisch, mit einem verschleppten Rhythmus, der in eine Explosion, einen Vulkanausbruch mündete. Warren Ellis, bearbeitete seine Geige wie ein Hexeninstrument, sie konnte förmlich jaulen und schreien. Vergesst David Garrett als Paganini!

Das Exzessive und Rasende hatte Methode im Konzert, die Musiker verausgabten sich, bis an die Grenzen des Irrsinns, wie es manchmal anmutete - aber sie verloren nie die Kontrolle über den musikalischen Ausdruck. Die wilde Raserei blieb immer Kunst. Und dann kamen immer wieder als Kontrast die intensiv poetischen, ausgefeilt balladesken Akzente. "West Country Girl" war ein leicht schräges, aber sehr sinnliches Liebeslied. Cave ist, neben dem elegischen Grundempfinden und den aggressiven Affekten, der Meister wunderbar zärtlicher Songs.

Früher nannte er so etwas "Babykotze". Jetzt stürzt er sich mit dem Sendungsbewusstsein eines Gospelchor-Vorsängers in Stücke wie "Into Your Arms". "Higgs Boson Blues" hingegen oder "Stagger Lee" erschienen wie eine fiebrige Albtraumfantasie respektive wie der mit Schockeffekten verzierte Amoklauf eines Psychopathen. Ohne großes Drama sind Nick Cave & The Bad Seeds nicht zu haben. Mehr Leidenschaft geht nicht in einem Konzert, mehr Vitalität auch nicht. Mit 56 Jahren ist Nick Cave noch längst nicht auf dem Gipfel seiner Karriere angekommen.

Info: Am 29. November erscheint von Nick Cave & The Bad Seeds der Konzertmitschnitt "Live From KCRW" (Rough Trade).

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