Kulturstandort Bonn Streichkonzert mit Ansage

Der Bonner Kulturausschuss beschließt ein Sparopfer der Kultur in Höhe von acht Millionen Euro, die "Freien" tragen 2,7 Millionen.

 Spannung pur: Vertreter der freien Kulturträger bei der Debatte im Stadthaus.

Spannung pur: Vertreter der freien Kulturträger bei der Debatte im Stadthaus.

Foto: Horst Müller

Bonn. Die Corona der freien Kulturszene von Norbert Alich (Pantheon) bis Christina Vègh (Kunstverein), Heribert Beissel (Klassische Philharmonie) bis Gisela Pflugradt-Marteau (Euro Theater Central) war gekommen. Die Besucherränge im Ratssaal waren voll besetzt - und doch mussten am Dienstagabend die Vertreter von insgesamt 48 Institutionen der freien Kulturszene in Bonn mit ansehen, wie der Kulturausschuss eine für einige wohl vernichtende Sparrunde beschloss.

Mit insgesamt acht Millionen Euro bis zum Jahr 2013 muss sich die Kultur an der Sanierung des Bonner Gesamthaushaltes beteiligen. 2,7 Millionen davon sollen die "Freien" schultern, der Rest wird, so die Planung, vom Beethoven Orchester und dem Theater Bonn bestritten. Die Stadtkämmerei weist darauf hin, dass das erst einmal ein Ansatz ist. Das bedeutet: Das Sparopfer kann auch größer ausfallen.

Beschlossen wurde am Dienstag, was die "Freien" im Detail bereits 2010 einsparen müssen - insgesamt sind es "nur" 130 000 Euro, die die Bonner Künstlergruppen, das Pantheon oder das Literarische Stipendium betreffen. Über die Folgejahre bis 2013 wurde nur das Sparvolumen beschlossen, das sich in drei Schritten auf fast eine Million Euro pro Jahr hochschraubt (2010: 130 000 Euro, 2011: 711 000, 2012 und 2013: je 936 000 Euro).

Die einzelnen Positionen, die auf einer "Giftliste" des Kulturdezernenten Ludwig Krapf stehen und bereits in den letzten Tagen heftig diskutiert wurden ( der GA berichtete), sollen erst nach eingehender Beratung im Herbst dieses Jahres entschieden werden.

Fast unisono lobten die Ausschussmitglieder den Einsatz der "Freien", warnten vor einem "Kahlschlag", räumten aber ein, dass eine Überprüfung der einzelnen Positionen wichtig sei. Die Forderung nach einem kulturellen Gesamtkonzept wurde von vielen gestellt. "Wir werden für die Jahre ab 2011 neue Prioritäten setzen müssen", sagte Bärbel Richter von der SPD.

Michael Faber von der Linken warnte vor einem "vorauseilenden Kaputtsparen der Kultur in Bonn" und stellte das "Damoklesschwert Nothaushalt" in Frage. Markus Schuck (CDU) riet einerseits im Hinblick auf die "Freien" zum Augenmaß, erinnerte aber auch an vorangegangene Sparrunden, einmal 15 Millionen Euro, ein andermal drei Millionen, die zu Lasten des Theaters und der Tanzsparte gingen und die "Freien" weitgehend verschonten: "Wir stellen das Sparvolumen nicht in Frage, wohl aber die Gewichtung."

Mit einem bizarren Vorschlag ging Barbara Wrany in die Diskussion: Ihre FDP setzte sich mit ihrem Vorschlag nicht durch, das Sparopfer der freien Szene jährlich um 300 000 Euro zu mildern, die Wrany dem Etat des Kulturamtes für eigene Veranstaltungen als Ausgleich streichen will. Kulturdezernent Ludwig Krapf erinnerte daran, das das etwa die beliebte Reihe "Käp'tn Book" träfe, deren Etat zum Großteil wieder in die freie Szene fließe.

Die Debatte über die Kürzungen wurde durch eine Nachbetrachtung zum Festspielhaus-Fiasko überschattet, das noch keine Woche her ist. Philipp Adlung, der neue Chef des Beethoven Hauses, der sich dem Ausschuss vorstellte, brachte es auf den Punkt: "Die Entscheidung macht mich traurig, es gibt in dieser Sache nur Verlierer."

Stadtdirektor Volker Kregel, der seine Interpretation des Spitzengesprächs mit Frank Appel (Post), René Obermann (Telekom) Timotheus Höttges und Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch referierte, legte eine neue Initiative auf den Tisch: Die Kulturverwaltung soll ein Gesamtkonzept für den Kulturstandort Bonn "unter Einbeziehung der Region" entwickeln, "auf dessen Basis die Stadt Bonn und die am Projekt Festspielhaus beteiligte Unternehmen über mögliche Förderkonzepte im Kulturbereich entscheiden können. Ein Schwerpunkt des Konzeptes soll dabei die Beethovenpflege sein."

Das mit einiger Skepsis bewertete Papier soll am Donnerstag im Rat beschlossen werden. Kregel, der insbesondere von der SPD hart angegriffen wurde - "er hat von Woche zu Woche die Hürden zum Festspielhaus erhöht und zielstrebig auf die negative Entscheidung hingearbeitet" - wird diesen Kultur-Masterplan nicht mehr miterleben, da er nach Hamburg wechselt.

Und auch Kulturdezernent Krapf wird den Plan nicht gestalten können. Er geht Ende Mai in den Ruhestand und wurde bereis gestern vom Ausschuss-Vorsitzenden Heinz-Helmich van Schewick mit warmen Worten verabschiedet. Der Masterplan wird in "bewährte" Hände gelegt: Laut Kregel macht Nimptsch die Kulturpolitik nach Krapfs Ausscheiden und bis zu Neubesetzung der Stelle zur Chefsache.

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