Gebühren in Nordrhein-Westfalen Wer bezahlt für Polizeieinsätze?

DÜSSELDORF · NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) will die Polizei von Aufgaben entlasten und prüft die Einführung von Gebühren für Polizeieinsätze bei nächtlicher Ruhestörung. "Wenn Beamte mehrmals bei Ruhestörung anrücken müssen, kann man darüber nachdenken", sagte Jäger dieser Zeitung.

 Bisher begleitet die Polizei Schwertransporte auf der Straße. Das könnte sich künftig ändern.

Bisher begleitet die Polizei Schwertransporte auf der Straße. Das könnte sich künftig ändern.

Foto: dpa

Auch die Begleitung von Schwertransporten durch Polizeibeamte könne sinnvoll durch private Sicherheitsfirmen ersetzt werden. Jäger hatte CDU-Forderungen nach einer Ausweitung der Gebührenpflicht bisher abgelehnt.

Eine Expertenkommission hatte in dem Bericht "Bürgernahe Polizei - Den demografischen Wandel gestalten" im Auftrag des Ministers Vorschläge für eine Polizeireform erarbeitet. Darin schlagen die Fachleute die Entlastung der NRW-Polizisten unter anderem von Aufgaben beim Objektschutz und der Aufnahme von Bagatell-Unfällen vor. Außerdem regte der Münsteraner Polizeipräsident Hubert Wimber (Grüne) den Abbau von 47 auf nur noch zwölf Kreispolizeibehörden in NRW an, um so 1400 Stellen einzusparen. "Die Landratsbehörden müssen nicht um ihren Bestand fürchten", schloss Jäger aber eine Auflösung der ländlichen Polizeiführungen aus. "Wir brauchen keinen völligen Umbau der Polizeistruktur."

Beim Objektschutz will Jäger die vorgeschlagenen Maßnahmen abwägen. Auf keinen Fall werde der Schutz jüdischer Einrichtungen an private Sicherheitsdienste delegiert. Und auch bei Unfällen müsse der Bürger sicher sein, "wenn er 110 wählt, dass die Polizei kommt". Schließlich sei es niemandem zuzumuten, dass er bei einem Schaden ans Ordnungsamt verwiesen werde. "Auch den Polizisten an der Ecke wird es künftig noch geben", sagte Jäger.

Hintergrund der Debatte über eine Polizeireform ist die bevorstehende Pensionierungswelle. In den kommenden Jahren gehen mehr Polizisten in Pension als neue ausgebildet werden können. Allerdings fällt die bevorstehende Lücke am "Scheitelpunkt" 2026 mit 1500 Polizisten deutlich geringer aus als bisher mit 3900 Stellen geplant. NRW stellt jährlich 1600 Polizisten neu ein. In dem 314-seitigen Bericht kommen die Fachleute zum Ergebnis, dass die Polizei in NRW derzeit so gut organisiert ist, dass gute Arbeit geleistet werden kann.

470 Stellen könnten eingespart werden

Allein 470 Stellen könnten laut Kommission eingespart werden, wenn die Polizei nicht mehr zu jedem Bagatell-Unfall anrücken würde. Beim Objektschutz vor Botschaften und Konsulaten könnten durch den Einsatz privater Sicherdienste fast 380 Polizeistellen für andere Aufgaben frei werden. Die Kommission räumte aber ein, dass dieser Weg voraussichtlich "den vehementesten Widerstand" provozieren würde. Die Idee, fast 1400 Stellen durch die Zusammenlegung von Polizeibehörden zu sparen, hält Minister Jäger schon aus politischen Gründen für nicht durchführbar. Die Entmachtung von Landräten als Chefs der Polizei würde mit Blick auf die Kommunalwahlen im Herbst massive Proteste auslösen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und CDU-Innenexperte Peter Biesenbach zeigten sich überrascht über die Prognosen, dass 2026 nur 1500 Polizisten fehlen sollen. GdP-Landeschef Arnold Plickert sprach von "reinem Wunschdenken" und kündigte eine genaue Prüfung der Prognosen an. Bisher wären Polizeiexperten von 3300 fehlenden Beamten ausgegangen. Zudem habe auch die Kommission festgestellt, dass die jetzige Polizeistärke von 39 150 Beamten nicht unterschritten werden dürfe. Die Kommission hatte festgestellt, dass überhaupt nur 75 Prozent der Sollstärken der Polizei einsetzbar sind. Krankheiten, Dienstsport, Fortbildungen, Eltern- und Teilzeit sorgen für erheblich weniger "echte" Einsatzstunden.

Minister Jäger will die Reformpläne noch vor der Sommerpause mit den Grünen abschließend beraten, um das mögliche "Skandalpotenzial" frühzeitig abzuräumen.

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