Traditionsunternehmen in Bonn Verpoorten: Nur das Gelbe vom Ei

Bonn · Im hauseigenen Labor nimmt Verpoorten in Bonn die Dotter für seinen Likör unter die Lupe. Das Unternehmen exportiert heute in 30 Länder.

 William Verpoorten führt das gleichnamige Familienunternehmen in der fünften Generation.

William Verpoorten führt das gleichnamige Familienunternehmen in der fünften Generation.

Foto: Barbara Frommann

In einem urigen Café in Brügge serviert der Kellner ein Schnapsglas. Der Inhalt: ein Schluck Eierlikör, verziert mit einem kleinen Sahnehäubchen. Die Leckerei gibt es ohne Bestellung als süßes Extra zum Kaffee – ähnlich wie einen Keks. „Das ist eine sehr gute Kombination“, lobt William Verpoorten die kleine Beigabe, als er davon hört.

Der Inhaber des gleichnamigen Traditionsunternehmens in Bonn, das seit 140 Jahren Eierlikör herstellt, hat zudem eine besondere Beziehung zu Belgien: „Unsere Vorfahren stammen aus Antwerpen. Ursprünglich lautete der Familienname Van der Poorten.“ Übersetzt: vor den Toren.

Nicht nur in der Vergangenheit, auch in der Gegenwart, spielt das Ausland für Verpoorten eine wichtige Rolle: Das Familienunternehmen in der fünften Generation exportiert sein Produkt heute in 30 Länder. „Im Ausland erwirtschaften wir 30 Prozent unseres Umsatzes“, erklärt der Bonner. Besonders hoch sei der Absatz in Duty-free-Shops. Insgesamt sei der Umsatz mit 50 Millionen Euro seit Jahren stabil.

Rund 150.000 Flaschen täglich

Der Jahresüberschuss verringerte sich von 1,69 Millionen Euro 2013 auf 1,29 Millionen Euro 2014. Verantwortlich für den Rückgang seien Investitionen in den Maschinenpark und Schwankungen an den Rohstoffmärkten. Verpoorten beschäftigt derzeit 85 Mitarbeiter. Die Hälfte ist in der Produktion tätig, wo täglich rund 150.000 Flaschen vom Band laufen.

Ein helles Klackern mischt sich dort im Sekundentakt zwischen die Motorgeräusche der Maschinen. Es ist das Geräusch der Glasflaschen, die an der Etikettierstation aufeinander laufen. Die gelbe Flüssigkeit hat dann bereits ihren Weg in die Flasche gefunden. Abgefüllt und verpackt muss der gelbe Tropfen dann erst mal bei 14 Grad Celsius ruhen, bevor er verkauft werden kann. Der Grund: Die Verbindung zwischen Alkohol und Ei sei anfangs instabil, erklärt Verpoorten. Werde er direkt weitertranportiert, bestehe die Gefahr, dass sich die einzelnen Komponenten wieder voneinander trennen.

Die wichtigste Zutat des Traditionsgetränks ist natürlich das Ei. Das ist für den Firmenchef das, was dem Winzer seine Trauben sind. Vor der Verarbeitung wird es deshalb im hauseigenen Labor auf Herz und Nieren geprüft. Die Lebensmittelchemikerin unterzieht Proben aus jeder Lieferung einer Eiklarfrischemessung: Dazu landet der Inhalt der Schale auf einer Glasscheibe. „Was wir hier messen, ist die Höhe von Eiweiß und Dotter“, erklärt Verpoorten. Je frischer das Ei, desto höher seien Eigelb und Eiweiß.

Die Höhe misst die Lebensmittelchemikerin mit einem Gerät, das von oben eine kleine Nadel auf das Eiweiß führt. Der Computer zeigt den Abstand an und entscheidet. Sind die Eier schon älter, ist das rohe Spiegelei flacher. Die Gefahr besteht eher, dass das Eigelb auseinanderläuft.

Ebenfalls ein Indikator für absolute Frische, sei die Konsistenz des Eiweiß: im Idealfall gallertartig und eher zäh. Verpoorten schiebt das aufgeschlagene Ei in ein kleines Sieb. Es soll das Gelbe abtrennen. Die durchsichtige Masse läuft an den Seiten ab, tropft im Zeitlupentempo nach unten und bleibt hängen. Verpoorten muss das kleine Sieb mehrmals schütteln, um das Eiweiß loszuwerden: „Dieses hier ist fast zu frisch“, erklärt er.

So werden die Eier getrennt

Das Trennen der Eier passiert bei Verpoorten jedoch im Produktionsprozess nicht wie zu Hause von Hand. In der Produktion gibt es insgesamt sechs Eieraufschlagmaschinen – Sonderanfertigungen, die bis zu 200 Tage im Jahr laufen. In den Eierlikör kommt nämlich sprichwörtlich nur das Gelbe vom Ei. Mit dem Rest beliefert Verpoorten Bäckereien und Konditoren. Derzeit stehen die Maschinen noch still wegen Wartungsarbeiten.

Deutlich mehr als eine Million Flaschen Eierlikör verkauft Verpoorten pro Jahr. Neben den Konsumenten gehören auch verschiedene Lizenzpartner zu seinen Abnehmern. Dadurch entstehen gemeinsame Produkte wie Pralinen oder Torten. Unter anderem beliefert Verpoorten die Bonner Süßwarenfabrik Kessko und Feinkost Merl aus Brühl.

Damit das Produkt im Handel auch entsprechend angepriesen wird, arbeiten für Verpoorten insgesamt 60 externe Handelsvertreter bundesweit, die sich auch darum kümmern, wie die hauseigenen Plakate in den Supermärkten platziert werden – und wie sie wirken. Denn den Eierlikör findet der Käufer nicht nur im Spirituosenregal: „Das ist uns zu wenig“, so der der Firmenchef.

„Wir wollen auch beim Obst und beim Eis stehen.“ Dazu passend wird in allen Abteilungen Werbung platziert – mal in Kombination mit Erdbeeren, mal mit Eis – Flyer mit Rezeptideen für den Kunden liegen gratis daneben. Die verkaufsfördernden Maßnahmen lässt sich der Unternehmer im Jahr einen sechsstelligen Betrag kosten.

Familienunternehmen soll zukunftsfähig bleiben

Der Klassiker soll schließlich jede Generation erreichen – nicht nur die Älteren, denen das Getränk klischeehaft immer zugeordnet wird. Die Werbegesichter auf der Internetseite sind auffallend jung. Und wie erreicht ein Unternehmen die jüngere Generation am besten? Über Facebook.

Das hat auch Verpoorten eingesehen, der 2013 die Frage nach einem Auftritt im sozialen Netzwerk noch verneinen musste. Jetzt ist Verpoorten nicht nur dort sondern auch mit einer Rezepte-App präsent. „Wir stellen derzeit sogar für diesen Bereich neue Mitarbeiter ein“, erklärt er.

Das Familienunternehmen soll schließlich zukunftsfähig bleiben. William Verpoortens Nachfolge zumindest ist bereits gesichert: Irgendwann wird er die Verantwortung an seine Tochter übergeben, die gerade ihr BWL-Studium abgeschlossen hat.

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