Gehörlosen-Dolmetscherin aus Alfter Sprechen mit dem ganzen Körper

Alfter · Namen während eines Gesprächs zu buchstabieren, ist ziemlich aufwendig. Deshalb geben Gehörlose anderen Menschen Gebärdennamen. Eine Geste dient dann als Symbol für eine Person.

 Sprechen mit den Händen: Menschen üben in einem Kursus Gebärdensprache.

Sprechen mit den Händen: Menschen üben in einem Kursus Gebärdensprache.

Foto: dpa

Inspiriert werden die Namen durch Merkmale wir Grübchen, einen Bart oder eine Glatze. Bei Helga Wallasch ist es ihre Brille, die sie meist auf dem Kopf trägt. Mit der ehrenamtlichen Gehörlosen-Dolmetscherin sprach Claudia Brade.

Frau Wallasch, wie sind Sie dazu gekommen, Gebärdensprache zu erlernen?
Helga Wallasch: Einer meiner Söhne ist gehörlos. Ich habe damals gemerkt, dass viele Gehörlose nicht verständlich sprechen können und deshalb angefangen, die Gebärdensprache zu lernen. Denn ich wollte meinen Sohn verstehen können. Von 1978 an habe ich einen Volkshochschulkursus besucht. Da war mein Sohn fünf Jahre alt.

Wie schwierig war es für Sie, Gebärdensprache zu erlernen?
Wallasch: Sehr schwierig. Ich hatte vier kleine Kinder, war dadurch oft müde und der Unterricht fand nur alle 14 Tage statt. Nach zwei Wochen hatte man so viel schon wieder vergessen. Außerdem gab es damals noch keine Bücher, Bild-Lexika, Gebärden-DVDs oder Internet. Heutzutage gibt es das alles. Auch meine Finger waren noch ganz steif, die mussten erst einmal beweglich werden, um die Gesten machen zu können.

Wie lange hat es dann gedauert, bis Sie die Sprache schließlich beherrscht haben?
Wallasch: Ich bin seit 1981 bei der Beratungsstelle für Gehörlose in Bonn tätig und musste da auch relativ schnell helfen. Je mehr ich mit Gehörlosen gearbeitet habe, desto sicherer wurde ich. Aber auch heute muss ich bei bestimmten Vokabeln noch nachfragen. Die Sprache verändert sich und hat auch regionale Unterschiede.

Das heißt, Gebärdensprache ist nicht einheitlich?
Wallasch: Nein, es gibt genauso Dialekte und unterschiedliche Sprachen je nach Land. Es gibt viele Variationen in der Sprache. Als Beispiel: Die Geste für Bonn hat sich über die vergangenen Jahre oft verändert. Es war mal eine Faust, dann eine Ministerschärpe, jetzt sind es zwei Finger am Auge. Auch Fachbegriffe sind schwer zu verstehen. Viele Gehörlose können zum Beispiel den Dolmetschern im Fernsehen nicht gut folgen, weil sie zu schnell gebärden oder Fachbegriffe verwenden.

Wie ist Gebärdensprache aufgebaut?
Wallasch: Gehörlosendeutsch hat eine andere Wortfolge als das gesprochene Deutsch. "Wie heißt du?" in Gebärdensprache bedeutet wortwörtlich übersetzt "Dein Name was?". Aus diesem Grund können viele Gehörlose nicht gut schreiben, denn der Sprachaufbau ist viel simpler. Es werden nur die wichtigsten Bedeutungen und Begriffe übersetzt. Füllwörter oder Wörter wie "der", "die", "das" gibt es in Gebärden nicht. Gehörlose haben daher einen kleineren Wortschatz.

Was hat die Gebärdensprache mit Ihnen persönlich gemacht?
Wallasch: Ich habe mich sehr verändert, früher war ich sehr steif. Gebärdensprache ist mehrdimensional und heute arbeite ich fast immer mit den Händen und dem ganzen Körper. Auch mein Schriftdeutsch hat sich verändert, ist viel simpler geworden. Ich schreibe keine Bandwurmsätze mehr. Meine Wortwahl passe ich oft an. Das Wort "Bub" können Gehörlose zum Beispiel besser von den Lippen ablesen als das Synonym "Junge". Und natürlich vermische ich manchmal gesprochenes Deutsch mit Gebärden.

Was sollte Ihrer Meinung nach für Gehörlose im Rhein-Sieg-Kreis verbessert werden?
Wallasch: Ich habe 2003 den Notruf per Fax bei der Stadt Bonn erkämpft. Seit 2014 gibt es ein derartiges Fax auch in der Leitstelle im Rhein-Sieg-Kreis. Heutzutage hat aber kaum mehr jemand ein Fax zu Hause, alle benutzen ein Mobiltelefon. Aber wie sollen Gehörlose per Mobiltelefon einen Notruf absetzen? SMS-Nachrichten akzeptieren Feuerwehr und Polizei nicht, da sie oft zeitverzögert ankommen. Hier muss dringend eine Lösung her.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort