Inklusion Projekt der Funkklingeln in Rheinbach wird augebaut

Rheinbach · In Rheinbach gibt es bereits 30 Funkklingeln für Kranke und Behinderte an Geschäften und Praxen. Diese Hilfe soll in den Eingangsbereichen von Geschäften, Arztpraxen und Restaurants zum Einsatz kommen.

 Renate Jorke (l.) und Suhaila Steinkühler an der Funkklingel der Stern-Apotheke.

Renate Jorke (l.) und Suhaila Steinkühler an der Funkklingel der Stern-Apotheke.

Foto: VOGEL/SAXLER-SCHMIDT

Um nach den Bedürfnissen ihrer Bürger die Lebensqualität in der Glasstadt steigern zu können, hat das Quartiersbüro "Nachbarschaft Römerkanal" gemeinsam mit der Stadt Rheinbach im Mai vergangenen Jahres eine Bürgerwerkstatt unter dem Thema "Rheinbach gestalten" angeboten. Bei der großen Themenvielfalt stellte die Anregung, Rheinbach inklusiver werden zu lassen, ein zentrales Anliegen dar.

Seit Cornelia Brodeßer, Mobilitätsberaterin der Verkehrswacht, den Einsatz von Funkklingeln vorgestellt hat, machen sich Katharina Dallal, Projektleiterin des Quartiersbüros, und Marion Möller, Sprecherin der Rheinbacher Arbeitsgemeinschaft Inklusion, dafür stark, dass diese Hilfe in den Eingangsbereichen von Geschäften, Arztpraxen, Restaurants und anderen Institutionen mit Bürgerverkehr zum Einsatz kommt.

Auch der Vorsitzende des Seniorenforums, Henning Horn, sowie engagierte Bürger unterstützen diese Idee, die mit wenig Aufwand viel Gewinn für den Nutzer bringt. Die Zahl der Anbieter ist bereits auf knapp 30 gestiegen, die Erfahrungen im Gebrauch sind positiv. Und doch müssen die Initiatoren noch immer für das Hilfsmittel werben, um Zweifel am Nutzen aus der Welt zu schaffen.

Die Funkklingel ist aus weißem Kunststoff und ähnelt einer Haustürklingel. Der Sender, dessen Knopf bei Druck ein Läuten ertönen lässt, wird am Eingang von Gebäuden angebracht. Als Empfänger dient ein Netzteil, das in eine nahe gelegene Steckdose gesteckt wird. So unscheinbar die Funkklingel wirkt, dem hilfsbedürftigen Nutzer leistet sie einen wertvollen Dienst, wenn es um die Überwindung von Stufen oder das Öffnen von Türen geht. "Auch wenn sie nicht für Barrierefreiheit sorgt, so bedeutet die Klingel für viele eine persönliche Wertschätzung, denn die Hemmschwelle, an Schaufenster zu klopfen oder wild gestikulierend auf sich aufmerksam zu machen, ist groß", erklärt Renate Jorke und ergänzt, dass es in der Dunkelheit noch schwieriger sei, gesehen zu werden.

„Ich würde es sofort wieder machen“

Sie weiß, wovon sie spricht. Seit 20 Jahren lebt sie mit der Diagnose Multiple Sklerose. "Dadurch, dass ich eine Hand zur Unterstützung brauche, bin ich abhängig und das führt bei Fremden manchmal zu Distanzlosigkeit", berichtet Jorke. "Die Bewältigung des Alltags mit Hilfe der Funkklingel ist würdiger für die Menschen", so Katharina Dallal. "Niemand weist gerne auf sein Defizit hin und meidet stattdessen Geschäfte und geht lieber unabhängig im Internet einkaufen", ergänzt Marion Möller.

"Genau wie ich möchten viele in den Rheinbacher Geschäften mit persönlichem Kontakt einkaufen", erklärt Renate Jorke und argumentiert, dass die Aktion auch dem Einzelhandel nutze. Das bestätigt Beatrice Firmenich. "Vor einem Jahr haben wir das System angebracht, ich würde es sofort wieder machen", erklärt die Inhaberin eines Optikerladens. Grundsätzlich sei die Klingel selten im Einsatz, aber für die Kunden, die sie nutzen, sei sie essenziell, denn viele würden sich nicht trauen zu klopfen. "Und ich bin ja froh, wenn die Kunden sich bei mir wohlfühlen", so die junge Unternehmerin.

Wie Silke Wilkens vom Blumenhaus Fleurs ist auch die Resonanz beim Team der Goldschmiede CF Atelier positiv. "Wir haben extra mit einem Stuhl probiert, in welcher Höhe wir sie anbringen, damit Rollstuhlfahrer drankommen", erklärt Pia Boos-Zipp. Auch der Postbote freue sich und für die Mitarbeiter sei es deutlich einfacher geworden, denn "wir rätseln jetzt nicht mehr, wenn es an der Tür rüttelt, sondern wissen direkt Bescheid", so die Goldschmiedin.

Warum noch immer damit gehadert wird, die Klingel zu installieren, verstehen weder Initiatoren noch Nutzer. "Die Zielgruppe wächst doch und wir wollen die Stadt lebendig machen", sagt Jorke. Sie freut sich, dass mit dieser einfachen Lösung die Begebenheiten bei den häufig mit Stufen ausgestatteten, denkmalgeschützten Häusern den Bedürfnissen der Bürger angepasst werden, ohne dabei den Charme des Stadtbildes verändern zu müssen.

Außerdem betreffe es nicht nur den Einzelhandel, betont Jorke und hofft auf positive Reaktionen, auch aus dem Ärztehaus an der Keramikerstraße. "Es geht nicht darum, den Zeigefinger zu erheben, sondern für das Thema zu sensibilisieren, denn es kann jeden betreffen", so Dallal. "Inklusion bedeutet: Defizite erkennen, Barrieren abbauen und das Leben erleichtern", charakterisiert Möller und macht klar, dass dies im Kopf beginne und nicht an der Tür.

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