"Es fehlt finanzierbarer Wohnraum"

Fachtagung der Arbeiterwohlfahrt zum demografischen Wandel in der Region

"Es fehlt finanzierbarer Wohnraum"
Foto: Barbara Frommann

Bonn. Es ist bekannt: Die Deutschen bekommen zu wenig Kinder, die Gesellschaft wird immer älter. Doch welche Auswirkungen hat die wachsende Zahl der Senioren auf die Region? Vor welche Herausforderungen stellt sie die Politik? Fragen, mit denen sich am Samstag die Arbeiterwohlfahrt Bonn/Rhein-Sieg (AWO) beschäftigte. Zum Auftakt einer Fachtagungs-Reihe zum Thema "Demografischer Wandel" lud sie ins Gustav-Heinemann-Haus.

"Bis 2025 wird im Rhein-Sieg-Kreis die Zahl der Menschen über 65 Jahre um rund 45 Prozent gestiegen sein", sagte Harald Eichner, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Kreistagsfraktion im Rhein-Sieg-Kreis, bei einer Podiumsdiskussion unter Leitung von GA-Redakteur Klaus Elsen.

Die Zahl der über 80-Jährigen werde gar um rund 100 Prozent steigen. Der Zuwachs in Bonn und der Region, beispielsweise durch Geburten und Zuzügler, sei zu gering, um diese Entwicklung aufzuhalten. Die Folge: Der Bedarf an Pflege und medizinischer Versorgung steige. Laut Eichner werde dies für den Rhein-Sieg-Kreis bis 2025 eine Verdoppelung der Pflegekosten zur Folge haben. Kosten, die begrenzt werden könnten, wenn es Senioren ermöglicht werde, möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben.

"Dafür müssen Strukturen geschaffen werden", sagte der sozialpolitische Sprecher. Darauf, dass auch unter den Migranten der Seniorenanteil wachse, wies Antonio Morreale, Vorsitzender des Integrationsrats der Stadt Bonn, hin. Doch wer soll in Zukunft pflegebedürftige Senioren betreuen, wo es doch immer weniger Junge gibt? Alle Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass das Ehrenamt gestärkt werden muss - auch für "junge" Senioren.

"Wir müssen uns aber davor hüten, dass unsere Ehrenamtlichen für soziale Aufgaben benutzt werden, die der Staat nicht mehr erfüllen will", warnte Adelbert Aÿ, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg. Benötigt würden sowohl ehrenamtlich Tätige als auch Profis, ergänzte Rainer Limbach vom Landschaftsverband Rheinland. Offen blieb jedoch die Frage, wie diese finanziert werden sollen.

Ein weiteres Thema war der soziale Wohnungsbau. "Es fehlt mit Grundsicherung finanzierbarer Wohnraum", sagte Limbach. Zudem seien die wenigsten Wohnungen barrierefrei. Als Folge dieses Mangels zögen viele Rentner in die günstigeren Außenbezirke der Städte. "Ältere Menschen haben Ansprüche, was die Erreichbarkeit angeht", sagte Professor Claus-Christian Wiegandt von der Uni Bonn, der sich in einem Referat mit dem Wohnungsneubaubedarf beschäftigte. Es sei wichtig, dass es Senioren zum nächsten Arzt oder zum Supermarkt nicht weit hätten.

"Es gibt zu wenig öffentlich geförderten Wohnungsbau", kritisierte auch Barbara Ingenkamp, stellvertretende Kreisvorsitzende der AWO und Vorsitzende des Sozialausschusses Bonn. Jedoch dürfe man nicht die Fehler der 70er Jahre wiederholen, Sozialwohnungen gebündelt an einer Stelle zu bauen. "Der Wohnungsbau muss da sein, wo die Infrastruktur bereits ist", sagte sie.

Mit gutem Beispiel geht die AWO voran: In Siegburg baut sie seniorengerechte Wohnungen, weitere sind in Planung. "Wir wollen uns als Kreisverband dieser Probleme annehmen", kündigte Ingenkamp an. Nach einer Auswertung der Tagungs-Ergebnisse finden voraussichtlich ab Frühjahr Folgetagungen statt.

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