David Reed Kunstmuseum Bonn zeigt den faszinierenden US-Maler

BONN · "Ich hasse es, Bilder zu Ende zu malen", meint David Reed, das "never ending painting" wäre sein Ideal. Kurator Christoph Schreier hat diesen Wunsch aufgenommen und inszeniert Reeds Malerei im Kunstmuseum Bonn so, dass sie wie ein Kontinuum anmutet, ein Farbfluss, der sich nicht an Format- oder Wandgrenzen zu halten scheint, sondern in den Museumsraum schwappt.

"#470" heißt sein Werk, vor dem sich David Reed hier im Kunstmuseum in Bonn postiert hat.

"#470" heißt sein Werk, vor dem sich David Reed hier im Kunstmuseum in Bonn postiert hat.

Foto: dapd

Ein langer Raum ist einzig mit einem Fries aus dicht an dicht gehängten Bildern besetzt, ein endlos anmutendes Graffiti in starken Farben und mit einem horizontal sich entwickelnden Band mäandernder Bahnen. Der Bilderfries hängt - ungewöhnlich genug - in Brusthöhe. Auch dies ein Zugeständnis an Reed, der meint, Kunst solle eher mit dem Herzen oder dem Bauch empfunden werden, als - wenn sie denn höher hinge - allein mit dem Kopf.

Außerdem schläft Reed gerne im Atelier, schaut sich beim Aufwachen seine Kunst an - die dann zwangsläufig tiefer gehängt werden muss. Das Schlafzimmer als Ort der Inspiration.

Nicht nur das eigene. "Judy's Bedroom" und "Scottie's Bed-room" hießen zwei Installationen, die Reed 1992 und 1994 zeigte. Er beschäftige sich darin mit den beiden Hauptfiguren und dem raffinierten Farbkonzept von Alfred Hitchcocks Klassiker "Vertigo". Judy, 1957 gespielt von Kim Novak, ist ein kräftiges Türkis zugeordnet, Scottie (James Stewart) verkörpert ein geradezu pulsierendes Rosenrot.

In einem Raum des Kunstmuseums treffen diese Temperamente in Gestalt von Reeds Bildern aufeinander. Wild verschlungene Bahnen lassen an halbdurchsichtiges Zelluloid denken, erzeugen aber auch einen Sog, Schwindel, Vertigo. "Vertigo" ist nur ein Themenfeld, das Reed mit seiner Malerei durchdringt. Trivialmythen werden ebenso bearbeitet wie medienphilosophische Themen, Intellektuell-Kunsthistorisches ebenso wie das Bauchgefühl.

Das passt gut zu Blondies verzweifelter New-Wave-Hymne "Heart of Glass" (1979). Unter diesem Titel wird dieses facettenreiche, faszinierende Werk des 1946 in San Diego geborenen, in New York lebenden Malers erstmals in Deutschland ausgestellt.

Die Spanne reicht von 1967 bis 2012, gezeigt werden 43 Gemälde und 20 Arbeiten auf Papier. Das Kunstmuseum riskiert damit wieder einmal den Blick über den deutschen Palettenrand - man erinnert sich an Sternstunden mit Philip Guston und Robert Ryman - und lässt auf den Malerei-Skeptiker und -analysten Albert Oehlen den Bilder-Enthusiasten Reed folgen.

Begonnen hat er als Landschaftsmaler im Dunstkreis von Guston, De Kooning und der Malerei der Abstrakten Expressionisten sowie einer schön-ironischen Einstellung zu Pollock. Was der 21-Jährige in der Wüste Arizonas zeichnete und malte, ist beachtlich: Die Natur wird in einem halbabstrakten, sehr atmosphärischen Gefüge von angedeuteten Landschaftslinien und etwa dem filmischen Effekt einer allmählich sinkenden Sonne eingefangen. Dass Reed Naturbeobachtung mit dem zusammenbrachte, was er bereits aus John Fords Western "The Searchers" kannte, zeigt, wie multimedial er schon damals dachte.

Die Geste des Abstrakten Expressionismus legt er in den 1970er Jahren mit seriellen, übereinander angeordneten, breiten Pinselstrichen ab, ohne sie aber als Motiv aus den Augen zu verlieren. Die starke Bewegung bleibt ebenso seiner Kunst verbunden wie der Faktor Zeit: Manches Bild braucht viele Jahre, bis es nach unzähligen Korrekturen, nach dem Abschleifen, Übermalen und Polieren fertig ist; die meisten Bilder muss man lesen wie ein Buch.

Kühl, fast abweisend präsentiert sich die Oberfläche, die Geste als Pathosformel der amerikanischen Kunst erscheint gefroren, zum opulenten, sich selbst genügenden barocken Ornament geronnen. Spontanes wird in einem Kokon der Perfektion gefangen gehalten und gleichzeitig konserviert. Jedes Bild ein Parfüm-Flakon, der seinen kostbaren Geist beschützt und festhält.

Das geschieht planvoll: Wie, davon berichten die Working drawings, bebilderte Arbeitsprotokolle, die zu den großen Entdeckungen dieser exzellenten Schau gehören.

Weitere Infos: Kunstmuseum Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 2; bis Di-So 11-18 Uhr, Mi bis 21 Uhr. Katalog (Snoek) 36 Euro. Eröffnung: heute, 20 Uhr

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