Rockerszene in Bonn Anklage gegen Bonner Hells Angels

Bonn · Nach einigen ruhigen Monaten scheint die Rockerszene in Bonn wieder in Bewegung zu geraten. Nach einem Auftritt der Bandidos am Nikolausabend in der Innenstadt hat das auf Organisierte Kriminalität (OK) spezialisierte Kommissariat 21 die Ermittlungen übernommen.

Rund 40 Männer hatten sich gegen 19.15 Uhr ins Lokal "Take Two" an der Rathausgasse gesetzt und dort gegessen und getrunken. Einige trugen wie berichtet Kutten mit dem Bandidos-Symbol - es handelte sich um ein Rocker-Chapter aus dem belgischen Kelmis, wie sich später herausstellte.

Zwar ließ sich die Truppe an diesem Abend nichts zuschulden kommen. Die Bonner Polizei wertet den Auftritt aber als szenetypische Machtdemonstration. Die OK-Ermittler prüfen außerdem, ob die Bandidos etwas mit den Schüssen zu tun haben, die am frühen Morgen desselben Tages auf eine Cocktailbar genau gegenüber abgefeuert wurden.

Die Kugeln trafen das Holz der Tür der Bar, die zur Tatzeit geschlossen war. Projektile wurden offenbar nicht gefunden. "Wegen der Art der Beschädigungen und nach Zeugenbefragungen gehen wir davon aus, dass die Schüsse aus einer scharfen Waffe kamen", erklärte Polizeisprecher Robert Scholten. "Wir können einen Zusammenhang mit dem Auftreten der Bandidos nicht ausschließen, haben aber auch noch keine Anhaltspunkte dafür." Mögliche Zeugen können sich, auch vertraulich, beim Bonner Polizeipräsidium melden: 0228/150.

Hells Angels gelten als geschwächt

Es war das zweite Mal in diesem Jahr, dass auf der Rathausgasse Schüsse gefallen sind. Im März 2015 kassierte der damals 36-jähriger Chef der "Bruderschaft Fist Fighter" bei einer Massenschlägerei einen Treffer ins Bein. Die Polizei stuft die Bruderschaft, die schon mal mit den Hells Angels durch die Stadt gekreuzt ist, als "rockerähnliche Gruppe" ein. Die Betroffenen bestreiten das. Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt noch wegen der Schüsse auf den "Fist Fighters"-Boss.

Das Auftreten der Bandidos könnte mit einem Schlag gegen ihre Erbfeinde zu tun haben: Die hiesigen Hells Angels gelten nach einer Razzia im Frühjahr als geschwächt. Drei Mitglieder des Bonn-Charters, einer Art Regionalclub, sitzen in Untersuchungshaft; gegen insgesamt neun Männer ist am Landgericht Koblenz Anklage erhoben worden. Zuständig ist die Koblenzer Staatsanwaltschaft, weil das Charter sein Hauptquartier in Unterelsaff bei Neustadt/Wied hat.

Die Ankläger werfen der Gruppe, die zum großen Teil in Bonn und Umgebung wohnt, unter anderem Körperverletzung, Nötigung, räuberische Erpressung und Geiselnahme im "Großraum Bonn", im Westerwald und dem nördlichen Rheinland-Pfalz vor. Die Gewalt der Höllenengel richtete sich laut Anklage vor allem gegen Mitglieder konkurrierender Motorradclubs - zum Beispiel der "Outlaws Ahrweiler". In einem Fall sei das Opfer lebensgefährlich am Kopf verletzt worden.

Das Brisanteste an der Anklage: Die Staatsanwaltschaft wirft dem Charter die Bildung einer kriminellen Vereinigung vor - aus Rockersicht ist das bedrohlich, weil die Clubs bundesweit behaupten, es seien höchstens einzelne Mitglieder kriminell, nicht aber die ganze Truppe. Denn dann drohen härtere Strafen. "Wir wissen, wie schwer dieser Punkt nachzuweisen ist", sagte der Koblenzer Oberstaatsanwalt Rolf Wissen. "Aber wir bewerten die Hells Angels Bonn wegen ihrer Straftaten und ihrer hierarchischen Struktur als kriminelle Vereinigung."

Vater des Salafistenpredigers Pierre Vogel unter den Rockern

Den Clubmitgliedern sei die Kooperation mit staatlichen Stellen verboten gewesen; die Hells Angels lehnten zudem das Gewaltmonopol des Staates ab. Nach Angaben des Landeskriminalamtes in Düsseldorf hat es zumindest in NRW, wo die Gangs besonders aktiv sind, noch nie eine Verurteilung von Rockern wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegeben. Gelingt der Beweis vor Gericht, dürften Vereinsverbote leichter durchsetzbar werden.

Gegen 19 weitere Beschuldigte hat die Koblenzer Staatsanwaltschaft das Verfahren abgetrennt. Unter diesen Hells Angels ist laut Rolf Wissen auch der Vater des einflussreichen Salafistenpredigers Pierre Vogel aus Bergheim. Die Ermittler glauben, dass der 63-jährigen Rocker sich der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der Körperverletzung, der Nötigung und der Erpressung schuldig gemacht hat. Außerdem soll er eine illegale Schusswaffe besessen und eine weitere verkauft haben.

Eine Verbindung zwischen den Hells Angels und den Salafisten gibt es offensichtlich nicht. "Nach unseren Erkenntnissen hat Pierre Vogel mit der Rockergruppe nichts zu tun", sagte Polizeisprecher Robert Scholten.

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