Stiftung Delphin Hilfe für Contergan-Geschädigte

BONN · Ohne die zwei gemeinsamen Frühlingswochen im Nordsee-Jugendheim der Stiftung Delphin geht bei Familie Schramm gar nichts. "Nirgendwo werden wir mit unserem Sohn Michael so gut aufgenommen wie dort in Husum. Wir alle profitieren seit Jahren von der liebevollen und professionellen Betreuung", sagen Harald und Elke Schramm.

 Elke und Harald Schramm mit ihrem 52-jährigen Sohn Michael, der in Hennef in einer Wohngemeinschaft lebt.

Elke und Harald Schramm mit ihrem 52-jährigen Sohn Michael, der in Hennef in einer Wohngemeinschaft lebt.

Foto: Holger Arndt

Ihr Sohn Michael sitzt im Rollstuhl. Der 52-Jährige ist seit seiner Geburt körperlich und geistig schwer behindert und lebt in einer Wohngemeinschaft in Hennef.

"Behindertengerecht Urlaub machen, unterwegs Zeit mit unserem Sohn verbringen, das ist sonst ganz schwierig und sehr teuer", erläutert Harald Schramm. Durch Förderung der von Bonn aus arbeitenden Stiftung Delphin können die Schramms sich diese Auszeit einmal im Jahr leisten. Und ihren Sohn dabei geduldig fördern. "Nach den 14 Tagen ist es auch mit seinem Sprechen immer wieder viel besser", sagt der Vater dankbar.

Die Stiftung Delphin ist vor 50 Jahren aus der Contergan-Katastrophe hervorgegangen. Zwischen 1958 und 1962 hatten Frauen, die den Wirkstoff Thalidomid als Schlaf- oder Beruhigungsmittel Contergan verschrieben bekommen hatten, Tausende Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt gebracht. Viel zu spät wurde Contergan vom Markt genommen. Zahlreiche Kinder starben. Die 2500, die überlebten, wuchsen heran, kamen ins schulpflichtige Alter.

Doch die Politik, die Gesellschaft, alle zeigten sich überfordert. Die Familien sahen sich alleingelassen - und gründeten als Selbsthilfe den heutigen Bundesverband Contergan-Geschädigter. Woraus sich in Bonn 1965 die "Stiftung Delphin - Hilfe für körperbehinderte Kinder und Jugendliche" bildete. Der Name leitet sich von der Sage ab, dass ein Delfin ein in Meereswellen hilfloses Kind auf seinem Rücken sicher an den Strand gebracht habe.

"Zu Beginn half die Stiftung ganz gezielt den Contergan-Geschädigten", erklärt Geschäftsführer Stephan Kolter in der Bad Godesberger Geschäftsstelle. Wie ein Delfin wollte man hilflosen Behinderten rettend zur Seite stehen. "Es wurde wertvolle Pionierarbeit in der Frühförderung der Contergan-Kinder und ihrer Familien geleistet", erläutert Kolter.

In der Stiftung habe sich ein wissenschaftlicher Beirat formiert. Man informierte die regionalen Elternverbände, finanzierte Therapien, Hilfsmittel und spezifische Einrichtungen. 1972 pachtete die Stiftung das Nordsee-Jugendheim "Delphin" in Husum als Therapie- und Erholungsstätte, 1983 erwarb sie es. Da hatte man sich schon zu einem Kurswechsel entschieden. Ab 1980 schloss man auch Menschen mit anderen Behinderungen in die Förderung mit ein und hatte, so Kolter, mit den diversen Streitigkeiten auf Verbandsebene nichts weiter zu tun.

"Die Contergan-Kinder waren inzwischen erwachsen geworden. Sie brauchten andere Antworten auf ihre Bedürfnisse. Hier konnte die Stiftung nur noch in begrenztem Umfang helfen", berichtet Kolter, der seit 19 Jahren in Teilzeit die Geschäfte führt. Und dabei eben Familien wie die Schramms unterstützt. "Dieser gemeinsame Aufenthalt ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Sohn und Eltern und hilft, die Familie generationenübergreifend zusammenzuhalten."

Von 2002 bis 2013 habe die Stiftung auch die Anna-Freud-Schule Köln gefördert, die bundesweit die einzige Oberstufe für Körperbehinderte biete. Doch die finanzielle Situation der kleinen Trägerstiftung bedinge es, dass man die Arbeit jetzt nur noch auf das Jugendheim in Husum konzentrieren müsse. "Kleine Stiftungen, die nur von Spenden leben, haben es momentan eben sehr schwer", sagt Kolter.

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