Flüchtlinge auf Wohnungssuche in Bonn Trostloser Start in ein neues Leben
BONN · Sein ganzes Hab und Gut passt in eine einzige Reisetasche. Trotzdem strahlt Ismail Ali Hassan und ist zufrieden. „Ich bin froh, endlich eine kleine Wohnung gefunden zu haben“, erzählt der 36-Jährige, der vor fünf Jahren aus dem Irak nach Deutschland gekommen ist.
Als Jeside gehörte er dort zu einer Minderheit, die von dem IS verfolgt und bedroht wurde. Über die Türkei gelang Ali Hassan schließlich 2010 die Flucht vor Terror und Gewalt.
Zwar hat er jetzt im Bonner Norden ein eigenes Dach über dem Kopf, doch seine Unterkunft ist alles andere als komfortabel. Denn der 36-Jährige besitzt nichts. Er hat keine Möbel, kein Inventar und keine Wäsche. Lediglich eine Matratze liegt auf dem harten Boden, verloren stehen zwei Stühle im Raum. Es fehlt einfach an allem. Es gibt kein Bett, keinen Tisch, kein Sofa. In den Küchenschränken sucht man vergebens nach Tassen, Tellern, Besteck oder Töpfen. „Ist das nicht trostlos hier?“, fragt Elisabeth Foustanas und schaut sich kopfschüttelnd in dem leeren Zimmer um. „So kann man doch nicht leben!“
Derzeit besucht Ali Hassan bei ihr einen Integrationskurs und lernt Deutsch. Dort erfuhr Elisabeth Foustanas auch vom Schicksal des anerkannten Flüchtlings. „Ich habe schnell gemerkt, dass er sehr unglücklich ist“, erzählt sie. „Er ist immer so bescheiden, so hilfsbereit und stellte seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse immer hinten an. Deshalb hatten alle anderen bereits Wohnungen, nur er nicht.“ Fast fünf Jahre lang lebte er in einer Unterkunft in Lohmar.
Um sich die Zeit zu vertreiben, half Ali Hassan dort dem Hausmeister oder reparierte die Fahrräder anderen Bewohner. „Er hat sogar seine Berechtigungskarte für die Tafel zurückgegeben, weil er meinte, dass andere diese Unterstützung nötiger hätten“, berichtet Elisabeth Foustanas weiter.
Enge in der Unterkunft
Aber dem anerkannten Asylbewerber ging es immer schlechter. Die Enge in der Unterkunft machte ihm zu schaffen. Bis in den späten Abend hinein war es laut, an Schlaf oder Privatsphäre war nicht zu denken. Der 36-Jährige fühlte sich so unwohl, dass er um jeden Preis ausziehen wollte.
Deshalb hatte er bereits beschlossen, sich eine Arbeit zu suchen und nicht mehr zum Unterricht zu gehen. „Da konnte ich nicht tatenlos bleiben“, so die Sprachlehrerin. Mit Engelszungen überredete sie den Iraker, weiter zur Schule zu kommen. Gleichzeitig suchte er sich einen Nebenjob. Heute arbeitet er als Aushilfe für ein paar Stunden in einem asiatischen Restaurant in der Bonner City.
Doch nicht nur bei der Jobsuche hatte Ali Hassan Glück. Als seine neue Chefin erfuhr, dass der 36-Jährige händeringend versuchte, aus der Unterkunft in Lohmar auszuziehen, stellte sie ihm ihr kleines Appartement zur Verfügung. Lange überlegen musste Ali Hassan nicht. Schnell hatte er seine sieben Sachen in die rote Reisetasche gepackt. Noch am gleichen Tag bekam er den Schlüssel für die Ein-Zimmer-Wohnung. Seine wenigen Habseligkeiten waren schnell in den zweiten Stock getragen.
"Er wird seinen Weg gehen"
Jetzt ist wieder ein wenig Ruhe in sein Leben eingekehrt. Vormittags besucht er weiter den Unterricht von Elisabeth Foustanas, nachmittags büffelt er Grammatik und Vokabeln, anschließend jobbt er in der Restaurantküche. „Er ist wirklich sehr engagiert und außerordentlich fleißig. Ich weiß, dass er die Prüfungen bestehen und seinen Weg gehen wird“, ist sich Elisabeth Foustanas sicher – auch wenn der Start in das neue Leben des Irakers alles andere als menschenwürdig ist.
Bei ihrem Besucht hat sie ihm ein Porzellanservice mitgebracht, damit Ismail Ali Hassan wenigstens von einem Teller essen kann. Einen Tisch, an den er sich setzen könnte, gibt es jedoch nicht.