Kommentar Machtwechsel in Saudi-Arabien - Ungewisse Zukunft

Der saudische König Abdullah ist tot, lang lebe König Salman. Die saudische Nachfolge ist also geklärt, trotzdem sieht das ölreiche Königreich einer ungewissen Zukunft entgegen.

Viele der Widersprüche des Landes, das seinen Weg zwischen erzkonservativem religiösem Establishment und der Moderne sucht, werden sich in Zukunft noch verschärfen. Abdullah hat es nicht geschafft, ernsthafte Reformen gegen die wahhabitischen Scheichs durchzusetzen, die dem Königreich seine religiöse Legitimität verleihen.

Aber er hat es geschafft hat, mit einer Mischung aus Petrodollars und Repression die innere Front auch in Zeiten der Aufstände in der arabischen Welt ruhig zu halten. Aber mit einer Bevölkerung, die zu zwei Dritteln unter 30 Jahren alt ist, und sinkenden Ölpreisen steigen die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen.

Fraglich ist, ob der 79-jährige, nach einigen Berichten an Demenz leidende Salman dem gewachsen ist. Der neue König gilt trotz seines stolzen Alters als ein respektierter Schiedsrichter in der regierenden Familie Saud. Das könnte helfen, das Zepter an die nächste Generation zu überreichen. Denn Salman ist wegen seines Alters bestenfalls ein Übergangskönig, kein Hoffnungsträger, der Reformen durchsetzen wird.

Auch Salman muss weiter den Seilakt des saudischen Königshauses gehen, die erzkonservativen wahhabitischen Scheichs zufriedenzustellen und gleichzeitig dem Reformdruck nachzugeben. König Abdullah war als Reformer angetreten, konnte aber nur wenig gegen das wahhabitische Establishment durchsetzen. Vor allem die von den konservativen Hardlinern kontrollierten Richter fällen immer wieder mittelalterliche Urteile.

Der neue König steht auch vor enormen regionalen Herausforderungen. Im Norden des Landes sind die Dschihadisten des "Islamischen Staates", einst von den Saudis selbst unterstützt als sunnitische Alternative zum syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, zu einer Bedrohung des saudischen Herrscherhauses geworden.

Nach saudischer Lesart wird ihr sunnitischer Wüstenstaat von iranischen Einflusszonen eingekreist. Einer irakischen Regierung, die im iranischen Orbit liegt, einem Regime in Syrien, das den wichtigsten Bündnispartner für Teheran in der Region darstellt, und nun den schiitischen Huthis, die die sunnitische Macht im Jemen herausfordern.

Dazu kommt, dass die goldenen Zeiten des Öls vorüber sind, der Preis dieses Rohstoffes sinkt, während das Königshaus bisher kaum Anstrengungen unternommen hat, die Staatsausgaben unter Kontrolle zu bringen.

Gerade für die jungen arabischen Aktivisten, die in den letzten Jahren für einen Wandel gekämpft haben, sind Saudi-Arabien und Abdullah der Inbegriff der Restauration der alten Verhältnisse. Vom neuen König erwarten sie wenig. Drastisch drückt diese Kritik die arabische Journalistin Maryam Jamshidi, Gründerin der Nachrichten-Webseite Al-Muftah aus. Sie twitterte: "Wenn es auf dieser Welt eine Gerechtigkeit gibt, dann wird Abdullah in Saudi-Arabien wiedergeboren: als eine schiitische, weibliche Gastarbeiterin".

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