Kommentar Razzien in der Islamistenszene: Mit aller Konsequenz

Die Demokratie ist verletzbar. Das hat der Terroranschlag heute vor zwei Wochen in Paris gezeigt. Seitdem ist die Wahrnehmung von Terror auch in Deutschland eine andere, weil die gefühlte Nähe zum Nachbarland für viele groß genug ist, sich in die Möglichkeit eines Anschlages auf einen Bahnhof in Köln, Dresden oder Berlin hineinzudenken.

Danach wäre ohnehin vieles nicht mehr so, wie es die meisten Menschen bislang gewohnt sind und wofür sie auch ihre Freiheitsrechte schätzen.

Die Demokratie ist wehrhaft? Ohne jeden Zweifel ist Deutschland in guter, wenn nicht sogar in sehr guter Verfassung. Dass sich die Demokratie gegen ihre Gegner und Feinde wehren kann, haben die Razzien in der Islamisten- und Salafistenszene gestern in Berlin, in Potsdam und in Thüringen bewiesen. Ihre Anhänger - verblendet, indoktriniert, gewalt- und kampfbereit bis zur Preisgabe des eigenen Lebens - bekennen sich weder zu den Werten dieses Landes noch stehen sie für ein friedliches Zusammenleben oder streben gar Integration an. Sie wollen das Gegenteil: Ihre radikale Auslegung des Islam wie auch der islamischen Rechtsordnung, der Scharia, verbreiten und die westlichen Werte auslöschen.

Das Bundeskabinett hat in der vergangenen Woche bereits reagiert und Sicherheitsgesetze verschärft, unter anderem in der Absicht, kriegsentschlossenen Islamisten mit dem Ziel Syrien oder Irak bald auch den Personalausweis zu entziehen und sie so an der Ausreise zu hindern. Denn es wäre aberwitzig, dürften die Religionskrieger erst unbehelligt ausreisen und dann bei ihrer Rückkehr auch noch das Wissen für Terroranschläge importieren.

Ohnehin sind bereits 600 Islamisten von Deutschland in Kriegsgebiete wie Syrien und Irak ausgereist. Gut 150 von ihnen sind inzwischen wieder zurück, teilweise mit Kampferfahrung. Womöglich warten sie hier nur auf ihren nächsten Befehl. Deutschland muss sich wappnen. Man könnte auch sagen: Aufmerksam sein, ohne dabei in Panik zu geraten. Das Demonstrationsverbot von Dresden mag als Niederlage für die Demokratie empfunden werden. Aber das Risiko ist da.

Dass Deutschland längst im Fadenkreuz islamistischer Terroristen ist, hat die Festnahme der Mitglieder der sogenannten Sauerland-Gruppe 2006 gezeigt, wie auch die nicht vollendeten Anschlagsversuche auf deutsche Regionalzüge (2006) oder am Bonner Hauptbahnhof (2012). Islamistischen Terroristen und ihren Unterstützern sind Demokratie und Toleranz egal. Sie wollen die offene Gesellschaft zerstören, um ihre Glaubensdiktatur zu errichten. Der damalige Bundesinnenminister Otto Schily wählte 2004 eine martialische Sprache, als er Terrorgefährdern zurief: "Wenn ihr den Tod so liebt, dann könnt ihr ihn haben." Eine radikale Zuspitzung. Aber eine hohe Konsequenz des Rechtsstaates darf die islamistische Szene schon spüren.

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