Jazzfest-Finale im Pantheon Er lässt die Puppen tanzen

Bonn · Das Jazzfest Bonn endet mit einem Spektakel, das Pantheon wird zur Partyzone: Philip Lassiter und seine Band sowie Petter Eldhs Post Koma begeistern das Publikum.

 Aufforderung zum Tanz: Trompeter Philip Lassiter brachte die Stimmung im Pantheon zum Kochen. Keyboarder Jordy Kalfsvel assistierte.

Aufforderung zum Tanz: Trompeter Philip Lassiter brachte die Stimmung im Pantheon zum Kochen. Keyboarder Jordy Kalfsvel assistierte.

Foto: Jazzfest Bonn/Thilo Beu

Auf dieses Zeichen zu fortgeschrittener Stunde hatten alle gewartet, die es ohnehin nur mit Mühe auf den Stühlen hielt: Aufstehen! Tanzen! Der Frontmann Philip Lassiter mutierte zum DJ und das Pantheon zur Partyzone. Ja, und das Jazzfest Bonn hatte sein angemessenes Finale: Partyzeit nach zwei kompakten Wochen mit zehn Doppelkonzerten und einem Solo, nach einem gut besetzten, spannenden und fordernden 14-Tage-Blockseminar zum erweiterten Jazzbegriff, das zu Diskussionen anregte, manchen in die Flucht schlug, vielen die Augen öffnete. Alles richtig gemacht: Jazzfest-Intendant Peter Materna genoss das Finale sichtlich.

Mit Lassiter hatte er nicht nur eine wichtige Figur aus dem Umkreis des Megastars Prince eingeladen, um den bei diesem Jazzfest einiges kreiste. Als Trompeter war Lassiter eine feste Bank der New Power Generation von Prince. Aber er hat eben auch eine erstaunliche Karriere nach Prince aufzuweisen, lebt inzwischen in Amsterdam, ist unglaublich aktiv und umtriebig. Nach Bonn war er schon am Samstag angereist, weil er Lust hatte, mit seinem alten Kumpel aus Texas, Bobby Sparks, und seinen Jungs zu musizieren. Er versteht sie und sie ihn. Mit den Holländern klappt das noch nicht so.

Spontane Session am Samstag

In einer tollen unangekündigten Session rockten Sparks, Lassiter und Co. am Samstag das Pantheon. Und Lassiter machte am Sonntag an gleichem Ort und in anderer Besetzung einfach weiter. Lassiter, der im hellen Anzug und Sonnenbrille aussieht wie ein texanischer Falco und auch ähnlich lässig wirkt und zackig rappt, ist eine wahre Rampensau. Steht breitbeinig hinter seinem Keyboard, spielt, singt und bläst die Trompete, lässt in seiner Funk-Jazz-Show die Puppen tanzen und die Fans zappeln. Um ihm herum der begnadete Keyboarder Jordy Kalfsvel, der die Stimmung zum Siedepunkt bringt, assistiert vom glänzenden Gitarristen Richie Reichgeld, Glenn Gaddum am funky Bass, Niek de Bruijn hinter seinem Schlagzeug und der mit einem Hauch von Nichts bekleideten, tollen Soulsängerin Josje. Die Nummern aus „Live in Love“, die fulminante aktuelle CD mit ihrem Groove, packenden Arrangements und irrem Tempo standen im Mittelpunkt, es gab aber auch Einblicke in laufende Projekte und quasi einen Vorgeschmack auf ein Album, Arbeitstitel „Raw in Amsterdam“, das im Juni erscheinen soll. Lassiter gibt den Zampano und mit Glitzerhelm den schrägen Helden und Clown, er verausgabt sich an der Trompete, koordiniert seine Band, er lässt es richtig krachen. Und dann steht er alleine auf der Bühne und singt von seinen Gospel-Wurzeln. Hinreißend.

Post Koma gibt sich radikal

Lassiter und seine Band mussten stimmungstechnisch nicht bei null anfangen, denn den Abend hatte eine umwerfende Combo eröffnet, für die das Motto des Jazzfestes „Beyond Category“ perfekt zutrifft. Post Koma passt wirklich in keine Schublade. Die ganz neue Formation des in Berlin lebenden schwedischen Bassisten Petter Eldh, das Nachfolgeprojekt von Koma Saxo, bietet einen ungezügelten wilden, anarchischen Avantgarde-Jazz, bei dem Soundschnipsel, gefundene Motive wie Choräle oder Volkslieder den Auslöser für irrwitzige Improvisationen bieten – nach festgelegten Spielregeln.

Wie wild stürzen sich etwa Otis Sandsjö, Tenorsaxofon, und Tapiwa Svosve, Altsaxofon, auf das Material, klappern, prusten, hauchen, schicken feurig-fiebrige Melodiesalven in den Saal. Christian Lillinger, der an seinem Schlagzeug eine eigene Show abspult, schreddert das Material nach allen Regeln der Drummer-Kunst. Während Eldh neben seinen launigen Zwischenworten seine tollen Basslinien legt. Verdienter, euphorischer Applaus.

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