Bonner Kunstverein stellt Zeichnungen sechs junger Künstler aus

Endzeitstimmung aus dem Mittelalter

Bonner Kunstverein stellt Zeichnungen sechs junger Künstler aus
Foto: Franz Fischer

Bonn. Die Kunst der Zeichnung steht zur Zeit hoch im Kurs. Zumindest in Bonn, denn die neue Ausstellung im Kunstverein spinnt den Faden weiter, den das Rheinische Landesmuseum mit der Ausstellungsreihe "Zeichenkunst" und kürzlich die Galerie Oberem mit "Original Handzeichnung" begonnen haben.

Zwar kann auch der Kunstverein keine wirklich neuen Positionen präsentieren. Aber die Ausstellung mit dem Titel "Freunde für immer" beleuchtet weitere Facetten der Gegenwartszeichnung. Außerdem, das ist die Meinung von Kurator Stephan Strsembski, "kann die Zeichnung als eigenständige Kunstgattung Lobbyarbeit immer gut gebrauchen". Die sechs jungen Künstler, die ihre Arbeiten zum Teil speziell für die Ausstellung geschaffen haben, bekennen sich alle zur Zeichnung als ihrem Leitmedium.

Gleichzeitig sind programmatische Grenzüberschreitungen zu anderen Gattungen, insbesondere zu Malerei und Installation, wohlüberlegt. Hier setzt auch der Titel der Ausstellung an, denn mit den "Freunden für immer" sind nicht die Künstler, sondern die verwendeten und verwandten Medien gemeint. Als ersten Blickfang der Ausstellung versammelt Christian Schwarzwald (Jahrgang 1971) 243 gezeichnete Porträts mit großer Geste.

Auf der 12 Meter breiten und sechs Meter hohen, himmelblau gestrichenen Mittelwand werden die Gesichter von Künstlern, Freunden oder Unbekannten zum raumgreifenden Wandbild. Gegenüber zeigt Dennis Scholl (Jahrgang 1980), dass dem technisch perfekten Zeichner die Bewunderung des Publikums sicher sein kann, auch wenn das Motiv schwierig zu entschlüsseln ist. Die akribisch gezeichneten Figuren und räumlichen Zusammenhänge stehen in surrealen Beziehungen zueinander.

In der 15 Zeichnungen umfassenden Installation "grey navigation" hat Anna Ling (Jahrgang 1971) hingegen alle menschlichen Spuren gelöscht. In Erinnerung an das Sommerhaus ihrer Eltern an der schwedischen Küste verbindet sie regelmäßige Tuschestriche zu Anmutungen von architektonischen Räumen. Von weitem erscheinen die Zeichnungen schwarz, erst beim Herantreten erschließen sich Zimmerecken oder Stoffmuster.

Mit ähnlichen technischen Mitteln entwickelt Carsten Fock (Jahrgang 1968) andere Absichten. Seine Arbeiten - eine Wandinstallation mit violettem Fond und fünf großformatige Tuschezeichnungen - fordern den Widerspruch geradezu heraus. Während die Tuschebilder den Betrachter mit schwarzer Leere empfangen, irritieren die Zeichnungen der Installation durch kritzelige Übermalungen. Daneben betreibt Bernd Ribbeck (Jahrgang 1974) konkrete Malerei mit zeichnerischen Mitteln.

Auf kleinen Formaten zeichnet er mit Tusche, Aquarellfarben oder mit farbigen Kugelschreibern abstrakte Architekturen der Moderne inklusive dramatischem Lichteinfall. Erzählfreudig und expressiv bearbeitet Svenja Kreh (Jahrgang 1968) große Papierbahnen, die sie zu mehrteiligen Bildern zusammenstellt. Mit Anleihen aus der Welt von Comics, Popmusik und Science-Fiction, die gleichberechtigt neben Zitaten aus der mittelalterlichen religiösen Malerei stehen, transportiert sie eine schwarze Fantasiewelt in Endzeitstimmung.

Bonner Kunstverein, Hochstadenring 22, bis 6. Januar 2008. Di-So 11-17, Do 11-19 Uhr. Werkgespräch mit Christian Schwarzwald am 6. November um 19 Uhr; Führungen am 29. November um 17 Uhr und am 16. Dezember um 12 Uhr.

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