Händels "Rinaldo" feiert in Köln Premiere

Händels Oper "Rinaldo" schwankt in ihrer Aufführung unentschieden zwischen Barock-Revue und Polittheater. Regisseurin Sabine Hartmannshenn knauserte nicht mit spektakulären Bühneneffekten.

Köln. Mit der Oper "Rinaldo" stellte sich der gerade 26-jährige Georg Friedrich Händel im Februar 1711 dem Londoner Publikum vor. Sein abenteuerlustiger Impresario Aaron Hill vertraute dem musikalischen Genie des schon damals berühmten Sachsen und wollte "keine Mühe und kein Geld sparen", diesem Debüt zu einem glänzenden Erfolg zu verhelfen.

Echte Spatzen, wie sie Händel bei der Londoner Uraufführung zu Almirenas Arie "Augelletti che cantate" (Ihr Vöglein, die ihr singt) fliegen ließ, gab es bei der Kölner Premiere zwar nicht. Dennoch knauserte auch Regisseurin Sabine Hartmannshenn nicht mit spektakulären Bühneneffekten. Da zischt und dampft es aus allen Nebelrohren, es gibt Magie und Zauberei, sogar eine veritable Geisterbahn in Laser-Licht-Design kommt zum Einsatz.

Das hat zum Teil durchaus unterhaltenden Charakter, doch am Ende gelingt es der Regisseurin nicht, eine wirkliche Haltung zu dem Stück zu entwickeln. Ihr "Rinaldo" verliert sich irgendwo zwischen Barockrevue und antiamerikanischem Agitprop und kassierte wohl auch dafür ziemlich viele Buhs.

Dass der Nahe Osten in einer Oper, die in der Zeit der Kreuzzüge angesiedelt ist, eine Rolle spielen würde, ist zwar ziemlich naheliegend. Doch gibt es in Sabine Hartmannhenns Inszenierung einige Bruchstellen, die einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema entgegenstehen.

Im Grunde bieten die Kreuzzüge nur die Kulisse für die Konflikte zwischen den Hauptfiguren. Rinaldo liebt Almirena, die Tochter des Heerführers Goffredo, die aber von der Zauberin Armida, die wiederum Geliebte des Sarazenenanführers Argante ist, entführt wird.

Die christlichen Besatzer richten den besetzten Palast Argantes, den Bühnenbildner Dieter Richter orientalisch imposant entworfen hat, mit Coca-Cola-Kühlschrank und Flipperautomaten ein und träumen davon, in Jerusalem einen neuen Petersdom zu errichten.

Doch im Belagerungszustand breitet sich Langeweile aus, und die führt dazu, dass man sich, initiiert durch die Zauberin Armida, in magische Scheinwelten hineinträumt, die bei Sabine Hartmannshenn die Gestalt eines Barocktheaters annehmen. Goffredo tauscht die Uniform mit einem kaiserlichen Hermelin, sein Bruder Eustazio gefällt sich in der roten Robe eines Kardinals (Kostüme: Susana Mendoza).

Dass die Regisseurin aber am Ende des zweiten Aktes die Sopranistin Simone Kermes in Armidas virtuoser Rachearie darstellerisch buchstäblich aus der Rolle fallen lässt, kommt einem szenischen Offenbarungseid gleich. Immerhin: Wenn Simone Kermes im Anschluss an ihren parodistisch überzogenen Primadonnen-Auftritt zum Signieren ins Foyer eilt, ist das nur konsequent.

Noch weniger überzeugend ist der Schluss, als der Sarazenenführer Argante an ein leuchtendes Kreuz gefesselt wird und Rinaldo sich genüsslich daran macht, ihm Zähne und Fingernägel herauszureißen. Goffredos treuer Diener (Harald Beutelstahl) unterstützt die Tortur mit ein paar heftigen Stromschlägen. Dieser drastische, an die Folterkammern Abu Ghreibs erinnernde Realismus wirkt als politische Aussage so wohlfeil, weil er so unmotiviert daherkommt.

Gesanglich lässt die vierstündige Produktion indes kaum Wünsche offen. Simone Kermes singt ihre Koloraturen mit hinreißender Attacke, zeigt aber auch, dass ihre stupende Virtuosität und Stimmbeherrschung, auch ganz wunderbare, zarte Trauer-Stimmungen hervorbringen kann. Wolf Matthias Friedrich überzeugte als Argante. Patricia Bardon traf die Stimmungslagen Rinaldos mit ausdrucksvollem Mezzo, wie sie in den himmlischen Längen der Arie "Cara sposa" trotz eines kleineren Koordinierungsproblems mit dem Orchester eindrucksvoll zeigte.

Der Countertenor Hagen Matzeit und der Altus Steve Wächter beherrschen als Goffredo und Eustazio ihre Falsettstimmlagen gesangstechnisch sehr souverän und ausgesprochen klangschön. Die berühmteste Arie der Oper, "Lascia ch' io pianga" , ist freilich der entführten Almirena vorbehalten, die von der jungen Sopranistin Krenare Gashi in herzergreifender Schönheit vorgetragen wurde.

Abgerundet wurde das Ensemble durch Yong Doo Park, (Mago), Gustavo Quaresma Ramos (Araldo), Ji-Hyun An und Kathleen Parker (Sirenen). Dirigent Alessandro De Marchi formt das Gürzenich-Orchester zu einem echten Alte-Musik-Klangkörper mit vielen historischen Instrumenten um. Das Klangbild wirkte ausgesprochen farbig, die Interpretation frisch, müsste aber noch an Präzision gewinnen.

Weitere Termine: 4., 6., 8., 11., 14., 19. und 21. Mai, Karten unter anderem in den GA-Zweigstellen, bei bonnticket.de oder unter der Hotline (02 28) 50 20 10.

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