Martin Schumacher: "Eine fantastische Stadt"

Martin Schumacher, Kulturdezernent in Oldenburg, ist am Mittwochabend im Rat zum neuen Bonner Dezernenten für Kultur, Sport und Wissenschaft gewählt worden. Wann er die Nachfolge von Ludwig Krapf antritt, ist noch ungewiss.

 Die Jugend im Blickfeld: Martin Schumacher träumt von der Utopie Kultur für alle.

Die Jugend im Blickfeld: Martin Schumacher träumt von der Utopie Kultur für alle.

Foto: Stadt Oldenburg

Bonn. Martin Schumacher, Kulturdezernent in Oldenburg, ist am Mittwochabend im Rat zum neuen Bonner Dezernenten für Kultur, Sport und Wissenschaft gewählt worden. Wann er die Nachfolge von Ludwig Krapf antritt, ist noch ungewiss. Mit Schumacher, der Bonn aus seiner Zeit beim Goethe-Institut gut kennt, sprach Thomas Kliemann.

General-Anzeiger: Sie waren am vergangenen Wochenende mit Ihrer Familie in Bonn "schnuppern", was hat Ihnen besonders gefallen?

Martin Schumacher: Der Eindruck war außerordentlich positiv, wir haben die Innenstadt erkundet, sind von Godesberg bis Beuel alles abgefahren. Ich bin erstaunt, mit welcher Dynamik Bonn sich in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt hat. Ich war früher als Dienstreisender des Goethe-Instituts oft in Bonn. Jetzt sehe ich hier viele Unternehmen in der Hightech-Branche, einer Zukunftsbranche. Man spürt den Aufbruch. Die Stadt erfindet sich neu, ohne ihre Tradition aufzugeben.

GA: Waren Sie kulturell unterwegs?

Schumacher: Wir haben die Beethovenhalle angesehen. Das Festspielhaus wird ja eine der großen Baustellen werden. Es ist eine Herausforderung, eine Konstruktion zu finden, die sich nicht nur für Festspiele, sondern auch im Alltag bewährt. Die Lage am Rhein ist fantastisch. Die Museen und anderen Kultureinrichtungen habe ich bei meinem letzten Aufenthalt bereits besucht.

GA: Wie halten Sie es mit Beethovenhalle oder Festspielhaus?

Schumacher: Da kann und will ich jetzt noch keinen Standpunkt haben. Ich weiß, dass es ein Gutachten der Firma "Metrum" gibt, das ich aber noch nicht kenne. Man muss aber, bevor man baut, sich mit Kulturpolitik beschäftigen, mit der Kunst, die in dem Bau stattfinden soll. Deswegen finde ich es gut, dass der Rat ein Kulturkonzept in Auftrag gegeben hat, das auch ein Hallenkonzept beinhaltet. Was tut der Stadt gut, welche Strukturen braucht sie, was kann sie seriös finanzieren?

GA: Wo sehen Sie die Stärken der Bonner Kultur?

Schumacher: Ich sehe große Stärken in der Bildenden Kunst, Kunstmuseum, Bundeskunsthalle bis hin zum Frauenmuseum. Oper und Schauspiel sind in Bonn wichtige Sparten. Das Festival des internationalen Tanzes macht einen sehr guten Eindruck. Die Musiklandschaft gefällt mir. Ich finde, das Beethovenfest hat eine sehr gute Struktur, vom Programm her vermisse ich nichts: internationale Namen, Auftragskompositionen, Workshops, Meisterkurse.

GA: Sehen Sie Defizite?

Schumacher: Da mein Herz sehr für den modernen Tanz schlägt, wurde ich gerne der Frage nach einer eigenen Tanzcompagnie für Bonn nachgehen. Da könnte ich mir eine gute Kooperation mit Häusern in der Region vorstellen. Wo noch etwas zu tun ist, ist der Bereich der kulturellen Bildung, zum Beispiel Schüler durch Kooperationen an das öffentliche Bibliothekswesen heranführen. Man muss sich auch fragen, warum der Bereich Kinder- und Jugendtheater im städtischen Theater fehlt. Ich finde das überraschend. In Bonn übernehmen die "Freien" dieses Feld.

GA: Hier bangen die "Freien" gerade um die städtischen Zuschüsse. Streichungen sind geplant.

Schumacher: Ich kenne die Streichliste noch nicht, muss die einzelnen Gruppen erst kennenlernen, ihre Stärken, ihre Schwächen, ihr Profil, ihre Perspektiven. Bonn hat eine sehr vielfältige Landschaft von der Brotfabrik bis zum Jungen Theater. Ich werde jede einzelne Institution besuchen.

GA: Man liest, dass Sie gerne Kajak fahren. Wo liegen kulturell Ihre Vorlieben?

Schumacher: Mein Herz schlägt für den neuen Tanz, ich liebe Alte, aber auch ganz neue Musik, mag Oper, "das Kraftwerk der Gefühle", wie Alexander Kluge das einmal genannt hat. Einige meiner Favoriten der Bildenden Kunst hängen gerade in der schönen Bonner Ausstellung "Der Westen leuchtet", Richter, Polke, Trockel. Der Privatmensch Schumacher ist vor allem literarisch interessiert.

GA: Was lesen Sie?

Schumacher: Gerade habe ich "Die Erfindung des Lebens" von Hanns-Josef Ortheil gelesen, jetzt beginne ich Martin Mosebachs "Was davor geschah", im Urlaub habe ich Rüdiger Safranskis "Goethe und Schiller. Geschichte einer Freundschaft" gelesen. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht lese, ich brauche das als Gegenwelt.

GA: Zurück zum Sport. Wo liegen da ihre Schwerpunkte?

Schumacher: Mich hat am Sport auch immer dessen soziologische Dimension interessiert. Was bewirkt Sport für die Gesellschaft, was kann Sport zum Zusammenhalt der Gesellschaft beitragen? Das ist eine ganze Menge. Ich habe gerade in Oldenburg einen Sportentwicklungsplan vorgelegt: Wir werden weniger, bunter, älter, darauf muss das Angebot reagieren. Das hat Konsequenzen zum Beispiel für den Hallenbau. Der Breiten- und Gesundheitsport wird immer wichtiger. Natürlich braucht eine Gesellschaft auch Spitzensport. Da muss man aber abwägen, wie viel sie sich leisten kann. Bonn hat eine sehr starke Baskektballmannschaft...

GA: ...mit dem Angstgegner Oldenburg.

Schumacher: Wir sind halt gut. Bonn hat 400 Sportvereine, Organisationsgrad 25 Prozent, die privaten Anbieter sind auf dem Vormarsch. Wenn man von Sportentwicklung spricht, muss man die gesamte Landschaft betrachten. Bonn hat aber ein Problem: Viele Sportanlagen sind in die Jahre gekommen, es gibt einen großen Renovierungsstau.

GA: Sie werden auch für Wissenschaft zuständig sein, welche Akzente wollen Sie setzen?

GA: Schumacher: Bonn ist nicht nur UN-Stadt, sondern auch Wissenschaftsstadt. Stichworte sind unter anderem DAAD, Alexander-von-Humboldt und die angegliederten Institute der Universität. Ich sehe Bonn immer noch auf der Suche nach einer Schärfung ihres Profils: Sie ist High-Tech-Stadt, aber eben auch Wissenschaftsstadt. Das ist außerhalb der Stadt überall bekannt. Man sollte das geistige Potenzial der Universität für die Stadt und die Bürger noch besser nutzen. Eine stärkere Kooperation mit den Hochschulen wird in Zukunft eine größere Rolle spielen.

GA: Haben Sie ein kulturpolitisches Credo?

Schumacher: Die Auseinandersetzung mit den Künsten oder mit Kultur allgemein schafft geistige Offenheit, die für ein friedliches und tolerantes Miteinander in einer urbanen Gesellschaft erforderlich ist. Daher möchte ich weiterarbeiten an der Utopie Kultur für alle. Wir erreichen viel zu wenige Menschen mit unseren Angeboten. Ich werde vor allem bei den jungen Menschen anfangen.

GA: Wann starten Sie in Bonn?

Schumacher: Das verhandeln noch die Oberbürgermeister in Bonn und Oldenburg. In Oldenburg leite ich derzeit zweieinhalb Dezernate: Kultur, Schule, Sport, dann kamen das Jugend-, Sozial-und Gesundheitsamt hinzu; im Moment vertrete ich auch noch den Baudezernenten. Ich möchte möglichst bald in Bonn anfangen.

Zur PersonMartin Schumacher wurde 1955 in Pforzheim geboren. Er hat in Tübingen und Heidelberg Jura, Germanistik und Romanistik studiert. Seine berufliche Karriere begann er als Rechtsanwalt, wechselte dann zum Goethe-Institut, für das er unter anderem in Indonesien, Uruguay und Italien tätig war. Schumacher war Generalsekretär von Inter Nationes, bis 2004 Regionalbeauftragter des Goethe-Instituts in Madrid. Juli 2004 wurde er zum Dezernenten für Kultur, Schule und Sport in Oldenburg berufen.

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