“Zwischenspiel“ im Kunstmuseum Bonn Von erfundenen Wirklichkeiten

Bonn · Im Format „Zwischenspiel“ bietet das Kunstmuseum Bonn eine Bühne für kreative Nutzung von Museumsräumen. Der Künstler Matthias Wollgast stellte dabei „The Steps with no Name“ vor – einen Film, den es gar nicht gibt. Da gab es dann einiges zu besprechen.

 Im Gespräch über Fiktion und Wirklichkeit: (von links) Wolfgang Ullrich, Nicola Gess und Matthias Wollgast.

Im Gespräch über Fiktion und Wirklichkeit: (von links) Wolfgang Ullrich, Nicola Gess und Matthias Wollgast.

Foto: Gudrun von Schoenebeck

Im recht neuen Format „Zwischenspiel“ lädt das Kunstmuseum Bonner Bürger dazu ein, für eine kurze Zeit bis zu drei Museumsräume für eine kreative Zwischennutzung zu bespielen. Am Sonntag nutzte der Künstler Matthias Wollgast, unterstützt von Museumsintendant Stephan Berg, die Gelegenheit, Regisseur der eigenen Veranstaltung zu sein. Geplant war eine Buchpräsentation mit anschließendem Podiumsgespräch zwischen Wollgast, der Literaturwissenschaftlerin Nicola Gess und dem Kunsthistoriker und Autor Wolfgang Ullrich.

Im Setting auf der Bühne, vor einer Wand mit aufgedruckten Namen von (fiktiven) Sponsoren, alles angestrahlt von großen Scheinwerfern und mit mehreren Kameras begleitet, vertieften sich Wollgast und seine Gäste in ein Gespräch über Fiktion und Wirklichkeit in der Kunst.

Produktionsgeschichte eines Films, den es nicht gibt

Ein Thema, das im Zentrum der Arbeiten des Bonner Künstlers steht und das er in Werkkomplexen immer weiter ausarbeitet. So ist „The Steps with no Name“ der Name eines Filmes, den es in dieser Form gar nicht gibt. Stattdessen wird die Story des Polarforschers Ray Mondt, der sich nach einer Lichtallergie in die Dunkelheit eines Kellers zurückzieht, durch Requisiten, Poster, Filmstandbilder und über Pressetexte indirekt und sehr überzeugend erzählt. In der tatsächlich existierenden Publikation „Making-of“ kann man die Entstehungsgeschichte des Films nachlesen, sich die schwarz auf weiß gelieferten „Beweise“ anschauen und wird dennoch recht bald auf Unstimmigkeiten aufmerksam.

Es sei nicht seine Absicht, so Wollgast, nachhaltig zu täuschen, sondern Denkprozesse anzustoßen und über Halbwahrheiten, Fakes und mediale Glaubwürdigkeitsstrategien zu reflektieren. „Making-of“ zeige sehr schön, wie Glaubwürdigkeit inszeniert werden könne, bescheinigte Gess dem Buch, und Ullrich erinnerte mit einem Blick in die Kunstgeschichte – zum Beispiel auf ein illusionistisches barockes Deckengemälde – daran, dass solche Manöver, in denen Künstler und Publikum die Täuschung bewusst einsetzen und anerkennen, nicht neu sind.

Käpt’n Blaubären der Filmgeschichte

So sind die Käpt’n Blaubären der Kunstgeschichte gewissermaßen die ehrlichen Erzähler von Seemannsgarn. Aber es gebe in der Kunst auch eine andere Art der Täuschung, wie Ullrich kritisch anmerkte. Als Beispiel nannte er die Aktionen des „Zentrums für politische Schönheit“, die oft dadurch geprägt seien, dass zwischen Fakt und Behauptung im Sinne des Hochschaukelns in eine größtmögliche mediale Aufmerksamkeit nicht unterschieden und am Ende auch nicht aufgelöst würde.

„Was ist damit gewonnen, außer dass Glaubwürdigkeit sehr grundsätzlich demontiert wird?“, fragte Ullrich. Hier nutzten die Künstler einerseits allen Freiraum, die ihnen die Kunst erlaube, sie beanspruchten gleichzeitig aber auch, in Diskurse außerhalb der Kunst einzugreifen, um politische Wirksamkeit zu erreichen.

Einig war man sich schließlich auf dem Podium, dass nicht nur ein Faktencheck, sondern darüber hinaus ein Fiktionscheck vonnöten ist: also wer erzählt hier was, wie und warum? Ebenfalls kein neuer Gedanke, an den man sich vielleicht jedoch, in der Kunst und im sonstigen Leben, nicht oft genug erinnern kann.

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