Bonner Tage der Demokratie Bloggerin berichtet in Bonn von ihrer Flucht aus Belarus

Bonn · Die Videobloggerin Kseniya Halubovich berichtete bei den Bonner Tagen der Demokratie von ihrer Flucht aus Belarus. Ein Jahr lang hatte sie zuvor die Proteste gegen Machthaber Lukaschenko in Minsk mit der Kamera begleitet.

 Die belarussische Video-Bloggerin Kseniya Halubovich spricht bei den Bonner Tagen der Demokratie.

Die belarussische Video-Bloggerin Kseniya Halubovich spricht bei den Bonner Tagen der Demokratie.

Foto: Martin Wein

Die prekäre Situation der Demokratie-Bewegung in Belarus ist spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine aus den Schlagzeilen westlicher Medien verschwunden. Aus Sicht der belarussischen Videobloggerin Kseniya Halubovich ist das ein Fehler. Das Regime von Staatspräsident Alexander Lukaschenko sei ein unterschätzter Aktivposten im gegenwärtigen Konflikt zwischen Russland und dem Westen, sagte die freie Journalistin am Donnerstagabend im Rahmen der Bonner Tage der Demokratie bei einer simultan übersetzten Diskussion im Gustav-Stresemann-Institut. Die Entwicklung in Belarus zeige, was der Ukraine und anderen Staaten Osteuropas bei einer Ausweitung von Russlands Einflusssphäre unter Wladimir Putin drohe.

Nach den manipulierten Präsidentschaftswahlen im August 2020 hat Halubovich über ein Jahr lang die entstandene Protestbewegung gegen die autokratische Staatsführung für ihr inzwischen preisgekröntes Video-Tagebuch begleitet. Die 34-Jährige erzählte im Gespräch mit der Journalistin Katsiaryna Kryzhanouskaya von der Deutschen Welle, wie sie in der Euphorie des Anfangs gar nicht wusste, welche Protestveranstaltung sie jeweils besuchen sollte.

Bei jedem Protest in Minsk mussten die Teilnehmer auf eine Verhaftung gefasst sein

Später wurden die Anlässe dann seltener und die gebotene Vorsicht größer. Sie sei nie am Anfang von Protestmärschen gekommen oder bis zum Ende geblieben, um einer möglichen Verhaftung zu entgehen. In den letzten Monaten sei sie jedes Mal froh gewesen, nach einem Interviewtermin wieder unbehelligt von Polizei und Geheimdienst die eigene Wohnung zu erreichen. Vor zwei Monaten verließ Halubovich das Land in Richtung Polen.

Kritischer Journalismus in Belarus sei kaum noch möglich, berichtete die Bloggerin, die ursprünglich Fotografie studiert hat. Praktisch alle neutralen Medien seien verboten, aktuell 25 Journalisten inhaftiert. Wer noch verdeckt für ausländische Medien recherchiere, könne wegen der Sanktionen gegen belarussische Banken nicht bezahlt werden. Mit Beginn des Kriegs in der Ukraine habe eine zweite große Ausreisewelle eingesetzt. Groß sei die Angst, in Putins Krieg verwickelt zu werden. Viele Positionen etwa beim Fernsehen würden mittlerweile von entsandten Russen besetzt.

Schon vor Kriegsbeginn war Halubovichs Kollegin Ulyana Babayed auf Anraten ihrer Anwälte geflüchtet. Sie berichtete, wie die staatlichen Medien ihrer Heimat ein ähnliches Narrativ bedienten wie die russischen. Westliche Staaten würden als verweichlicht dargestellt, während Belarus tradierte Werte hochhalte. Inzwischen ist Babayed bei der Deutschen Welle beschäftigt. Weil der Sender in Belarus inzwischen als „terroristischer Aggressor“ gelte, hält sie eine Rückkehr auf unbestimmte Zeit für ausgeschlossen. Selbst die DW-App auf dem Smartphone könne in Belarus bereits zu einer Haftstrafe führen.

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