Anpassung von Rechnungen Firmen entstehen Kosten durch Mehrwertsteuersenkung

Berlin. · Deutsche Firmen müssen aufgrund der Mehrwertsteuersenkung nachträglich 2,5 Millionen Rechnungen anpassen und ihre IT-Systeme umstellen. Ob die Nutzen der Steuersenkung die Kosten rechtfertigen scheint fraglich.

 Ein Mitarbeiter eines Supermarktes tauscht wegen der geringeren Mehrwertsteuer an einem Regal das Preisschild von Tomaten in Stücken aus.

Ein Mitarbeiter eines Supermarktes tauscht wegen der geringeren Mehrwertsteuer an einem Regal das Preisschild von Tomaten in Stücken aus.

Foto: dpa/Sven Hoppe

Deutsche Unternehmen mussten wegen der befristeten Mehrwertsteuersenkung zum 1. Juli 2,5 Millionen bereits ausgestellte Rechnungen nachträglich anpassen oder berichtigen. Das geht aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion hervor. Dadurch entstanden den Unternehmen zusätzliche Kosten von rund 14,4 Millionen Euro, so das Papier. Das Ministerium beruft sich auf eine Schätzung des Statistischen Bundesamtes. Insgesamt hatte die Bundesregierung die Kosten der Unternehmen für die Umstellung der Kassen- und Rechnungssysteme in ihrem Gesetzentwurf mit 239 Millionen Euro beziffert. Ein Gutachten im Auftrag der FDP hatte den bürokratischen Aufwand dagegen auf 2,25 Milliarden Euro geschätzt, das 9,4-Fache des angegebenen Betrags.

 Wie hoch die Kostenbelastung für die Unternehmen tatsächlich ausgefallen ist, wird erst nach dem Auslaufen der Regelung im kommenden Jahr feststehen. Die Regierung hatte die Mehrwertsteuer für ein halbes Jahr bis 31. Dezember von 19 auf 16 Prozent gesenkt, um die Kaufkraft der Verbraucher zu steigern und die Konjunktur in der Corona-Krise anzukurbeln. Der reduzierte Steuersatz wurde von sieben auf fünf Prozent gesenkt. Für die Unternehmen bedeutete die für sie unerwartete Steuersenkung einen erheblichen Aufwand, der den Nutzen der Steuersenkung aus Sicht vieler Firmen infrage stellt – zumal Umsatzsteigerungen durch eine erhöhte Nachfrage der Verbraucher in vielen Branchen auf sich warten lassen. Die Senkung der Steuer führt beim Staat zu Mindereinnahmen von knapp 20 Milliarden Euro im laufenden Jahr. Doch auch im kommenden Jahr erwartet das Finanzministerium Steuerausfälle, obwohl die Mehrwertsteuer ab Januar wieder auf die alten Sätze steigen soll. „Unter Berücksichtigung der seit der Steuerschätzung beschlossenen Rechtsänderungen erwartet die Bundesregierung aktuell ein Aufkommen im Jahr 2021 von 246,9 Milliarden Euro“, heißt es in der Antwort. Ohne das krisenbedingte Konjunkturpaket hatte die Regierung 2021 mit Einnahmen aus der Umsatzsteuer von 260,8 Milliarden Euro kalkuliert.

Die 14 Milliarden Euro Mindereinnahmen kommen zustande, weil die Regierung zuvor schon im Corona-Steuerhilfegesetz den Mehrwertsteuersatz für das Gastronomiegewerbe zwischen Mitte 2020 und Mitte 2021 von 19 auf sieben Prozent gesenkt hatte. Zudem hat sie die Möglichkeit des steuerlichen Verlustrücktrags für Unternehmen deutlich verbessert, die auch 2021 noch gelten wird.

Nach einem Gutachten des Magdeburger Betriebswirtschaftlers Sebastian Eichfelder hat die Regierung den bürokratischen Aufwand der Mehrwertsteuersenkung drastisch unterschätzt. Auf der Basis von Umfragen bei Steuerberatern ermittelte Eichfelder einen Aufwand von über zwei Milliarden Euro. Das seien 11,2 Prozent des Fördervolumens von 20 Milliarden Euro. „Die Mehrwertsteuersenkung ist ein Bürokratiemonster. Wahrscheinlich ist der Aufwand für die Wirtschaft höher als der Nutzen“, sagte der FDP-Politiker Frank Schäffler.

 Auch der Verband der Familienunternehmer beklagt hohe Folgekosten. „Der IT-Aufwand für die Umstellung des Mehrwertsteuerprozentsatzes dürfte sich sogar noch das kleinste Übel entpuppen. Weitaus kostspieliger könnte noch die Fehleranfälligkeit werden“, sagte der Präsident der Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée. „Deren Rückabwicklung wird in den kommenden Jahren ein gefundenes Fressen für Betriebsprüfer werden. Es drohen enorme Rückabwicklungskosten, Nachzahlungen und Strafzinsen.“

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